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Otelfingen, Hauptmes Haus vom Meierhof des Klosters St. Blasien
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1. Was Otelfingen mit dem Kloster St. Blasien zu tun hatte

Es ist bekannt, dass sich in Otelfingen ein Meierhof des Klosters St. Blasien befand, und man vermutete ihn im Bauernhaus Mühlegasse 1. Diese Vermutung erweist sich gemäss der vorliegenden Recherche als Irrtum - der Meierhof lag zweifelsfrei weiter unten im Dorf und Hautpmes Haus war ein Teil davon - doch dieser Irrtum hielt die Erinnerung wach an die jahrhundertealten Beziehungen, die zwischen Otelfingen und St. Blasien bestanden hatten. Nachweislich besass dieses Kloster in Otelfingen und Umgebung so viel Grundbesitz, dass zu seiner Verwaltung ein Meierhof notwendig war und es stellt sich die Frage, wie denn das Kloster dazu gekommen war.

1. Maria mit Kind, Reginbert (l) und Abt Arnold II (r) Deckel einer Buchkasette, Ende 13. Jh.
Die Geschichte des im Schwarzwald gelegenen Benediktinerklosters St. Blasien lässt sich bis ins 9. Jahrhundert zurückverfolgen; allerdings sind die frühen Quellen sehr widersprüchlich. Die Anfänge des Klosters gehen wohl auf die von einem Adligen Sigemar 856 oder 858 gegründete und dann dem Kloster Rheinau übergebene Einsiedelei Cella Alba zurück. 855 hatte Rheinau Reliquien des Hl. Blasius aus Rom erhalten und transferierte einen Teil davon in die Cella Alba, die damit das Patrozinium St. Blasien erhielt. Die Loslösung des Filialklosters St. Blasien vom Mutterkloster Rheinau erfolgte zwischen 1050-1060; das Immunitätsprivileg als entscheidende Verfassungsurkunde für das Schwarzwaldkloster erteilte Heinrich IV im Jahre 1065.

Im 10. Jahrhundert scheint St. Blasien zeitweise unbewohnt gewesen zu sein. Dies führte wohl zu einer weiteren Gründungsgeschichte, gemäss der ein Ritter Reginbert von Sellenbüren im Reppischtal St. Blasien (wieder)gegründet und grosse Vergabungen gemacht hatte. In der sanblasianischen Überlieferung spielte Reginbert fortan eine wichtige Rolle als Wohltäter, Stifter und Gründer. (Abb.1) Die neuere Geschichtsschreibung verweist Reginbert ins Reich der Legenden und meint, dass die ihm zugeschriebene Schenkung eigentlich 1092 von Heinrich von Sellenbüren gemacht wurde.

Die Herren von Sellenbüren waren verwandt mit denen von Regensberg, und sie unterstützten wie diese die Zähringer. Die Zähringer ihrerseites waren die Schirmvögte von St. Blasien und förderten zur eigenen politischen Absicherung dieses Kloster in seinem Bestreben, seine Grundherrschaft nach Süden auszudehnen. Mit der Schenkung derer von Sellenbüren, ob das nun Reginbert oder Heinrich war, erhielt St. Blasien den grössten Teil seiner umfangreichen Besitzungen im Zürichgau mit Schwerpunkt im Reppischtal und im Furttal sowie am Zugerberg.

2. Kloster St. Blasien, Kupferstich Mitte 17. Jh.
Im 12. und 13. Jahrhundert rundete das Kloster seinen Besitz südlich des Rheines durch Kauf, Tausch und Vergabungen ab. Dazu gehörte auch der 1124 erfolgte Erwerb eines Besitztums am Stampfenbach vor dem Niederdorftor der Stadt Zürich, mit Gebäude, Umgelände und Reben. Es wurde wohl massgeblich von Berchtold, "genannt vom Stampfenbach", der ab 1275 als ständiger Statthalter St. Blasiens eingesetzt war, zum Verwaltungszentrum des Klosteramtes Zürichgau umorganisiert. Obwohl ausserhalb der Stadtmauern liegend, erhielt das Amt Stampfenbach, das beste Beziehungen zu Zürich pflegte, 1277 oder noch vor 1293 das städtische Burgrecht und damit den Schutz der Stadt, profitierte aber gleichzeitig von seiner Lage an der Limmat, die als direkte Verkehrsverbindung über Klingnau nach Waldshut führte und von da dann nach St. Blasien.

Seine Furttaler Besitzungen aus dem Legat der Reppischtaler ergänzte St. Blasien in Otelfingen nachweislich 1298 mit dem Erwerb eines einträglichen Gutes, das einer Anna, Frau des Ritters Johannes Fütschi von Zürich, gehörte und von Chundradus, genannt der Wechsler, bewirtschaftet wurde. 1306 kamen für den Preis von 13 Mark Silber weitere Besitzungen dazu.

Untereste Verwaltungstufe für den entfernten Klosterbesitz waren die Meierhöfe. Sie verfügten über umfangreiche Ländereien und lagen in Orten, die für die Grundherrschaft wichtig waren. Dass St. Blasien in Otelfingen einen Meierhof betrieb, ist bereits im 1308 entstandenen Gütervereichnis der Habsburger, den Erben der Zähringer, verzeichnet.

Als am 8. März 1334 der Otelfinger Meierhof vom derzeitigen Abt Ulrich von St. Blasien als Lehen einem Heinrich Meyer vergeben wurde, wurde er noch als Fronhof bezeichnet. Fronhöfe galten als besonders ehrwürdig und gewichtig und standen in besonders engem Verhältnis zum Grundherrn und dessen Verfügungsgewalt.

Die Beziehungen zwischen Otelfingen und St. Blasien waren in der Tat eng: Der damalige Pfleger und Probst "ze Steimpfibach", also Vorsteher des Amtes Stampfenbach, war ein "Rudolf von Oettelvingen", besagter Heinrich Meyer, der neue Lehensmann des "gotzhuosse froenhoefe, gelegen ze Oettelvingen", war sein "tohtersuon", sein Enkel. Dieser verpflichtete sich, auf Martini die vereinbarten Zinsen abzuliefern, dem Gut zu Nutzen zu sein, keine " Ungenossin", d.h. eine Frau, die keine Eigenfrau des Klosters war, zu heiraten und auch sonst nichts gegen das Gotteshaus zu tun. Bereits 1359 war der Otelfinger Fronhof nur noch als Meierhof aufgeführt.

3. Titelblatt Urbar 1699
gezeichnet v. Anna Waser
Im Dorfverband waren die Meierhöfe - und damit wohl auch derjenige in Otelfingen - dank der herrschaftlichen Position ihres Grundherrn privilegiert. Sie hatten Sonderrechte in der Bewässerung ihrer Wiesen, genossen Sonderschutz ihrer Waldungen und Vorrechte in den Gewerbebetrieben, z.B. der Mühle, die sie sofort zu bedienen hatte, und sie erhoben Anspruch auf gewisse Frondienstleistungen. Dafür überband ihnen der Grundherr die Pflicht, die Zinsen und Zehnten einzusammeln und die Aufsichtsfunktion über die klösterlichen Güter wahrzunehmen. Sie hatten die Kloster-Eigenleute zu überwachen und inbesondere Verstösse hinsichtlich der "Ungnossami" an den Stampfenbach zu melden. Schliesslich dienten die Meierhöfe dem Klosterbeamten als Absteigequartier.

Die Meierhöfe blieben als Grundelement der klösterlichen Grundherrschaft auch bestehen, als sich das Amt Stampfenbach zunehmend zu einer effizienten übergeordneten Verwaltungsstelle entwickelte, die weiter unter Zürcher Burgrecht stand. Dessen Amtinhaber, im 15. Jahrhundert meist Fratres, nichtpriesterliche Mitglieder des Konvents, galten somit als Zürcher Bürger und waren wie die Verwalter anderer Klosterhöfe und das Patriziat in der Constaffel organisiert.

Die Reformation verursachte einen Bruch in den traditionell guten Beziehungen St. Blasiens zu Zürich, indem 1529 der sanblasianische Verwalter am Stampfenbach seines Amts enthoben wurde, angeblich weil in seinem Haus religiöse Bilder und ein Altar gefunden wurden. Es wurde ein zürcherischer Obmann über alle Klosterämter eingesetzt, der inskünftig auch die Einnahmen daraus zu verwalten hatte. Nach der Schlacht bei Kappel 1531 erhielt St. Blasien zwar seine Zürcher Besitzungen und Rechte wieder zurück, doch durfte das Kloster keine Mitglieder seines Konvents mehr, sondern nur noch neugläubige Stadtbürger als Vorsteher des Amtes am Stampfenbach einsetzen. 1533 übernahm Ludwig Edlibach aus dem Zürcher Patriziat das Bläsiamt.

Die Forderung der zins-und zehntpflichtigen Bauern nach Loslösung von ihren Abgaben für den katholischen Abt von St. Blasien verhallte allerdings bei der nunmehr reformierten Zürcher Obrigkeit ungehört; allenfalls gab es Verschiebungen von der klösterlichen zur städtischen Herrschaft; an der Zinslast änderte dies aber nichts.

4. Urbar 1790 zum Meierhof
Der Meierhof mit seinen Ländereien und die sieben anderen Höfe St. Blasiens in Otelfingen lieferten 1543 mit 62 Stuck mehr Grundzinsen ab als Birmenstorf (59 Stuck), Urdorf (56 Stuck) oder Lufigen (52 Stuck); die Höfe St. Blasiens in anderen Zürcher Gemeinden erbrachten eine wesenlich kleinere Grundzinsleistung. "Vunnden jim Dorrf", also im Unterdorf gelegen, umfasste der Meierhof auf seinem weiträumigen Areal damals mehrere "an vunnd byeinnannderen" liegende Liegenschaften, nämlich zwei Häuser mit den zugehörigen Hofstätten samt Baum-und Krautgarten, zwei Scheunen, zwei Speichern, zwei Schweineställe und drei Jucharten Acker, und war damit als sehr wohlhabend einzustufen. Die im Urbar von 1543 verzeichneten Grundzinsen blieben dem Kloster bis zur Klosteraufhebung weitgehend erhalten und bildeten damit einen sichere Einnahmenquelle.

Wie bei anderen Klöstern gingen auch die sanblasianischen Besitzungen über die Etappen Handlehen und Erblehen schliesslich in den Besitz ihrer ehemaligen Lehnsleute über, die dem Kloster schliesslich nur noch die Zinsen schuldeten, ein Prozess, der am Ende des 16. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen war.

Die während der Reformationszeit eher gespannten Beziehungen zwischen St. Blasien und Zürich lockerten sich im 17.Jh. merklich; Zürich wurde zu einem massgeblichen Kreditgeber des Klosters, das unter den Wirren des 30-jährigen Krieges stark litt. 1634 musste der Abt gar nach Wislikofen in die Schweiz flüchten, während die Schweden das Kloster plünderten, glücklicherweise ohne es in Brand zu setzen. Im 18. Jahrhundert erlebte das Kloster eine neue Blütezeit, von der der repräsentative Klosterneubau von 1727-1742 nach Plänen des Vorarlberger Baumeisters Johann Michael Beer, der auch für die Architektur der Klöster in Rheinau und St. Urban verantwortlich zeichnete, sichtbar Zeugnis ablegte. (Abb. 5) Der Austausch mit Zürich war in dieser Zeit nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf geistigem und kulturellem Gebiet ausgesprochen lebhaft. Insbesondere Abt Martin Gebert pflegte persönlichen Kontakt mit Joh. Jakob Breitinger und er war befreundet mit Joh. Jacob Hess, Diakon am Fraumünster, durch den er auch Lavater kennenlernte.

Der Meierhof in Otelfingen wurde in dieser Zeitperiode ausgebaut: 1699 wurden drei Häuser auf seinem Areal verzeichnet, 1790 deren vier, während ein fünftes, wohl eines der alten, als abgebrochen vermerkt wurde.

5. Kloster St. Blasien
Kupferstich v. Millich, 1746
Nach den napoleonischen Kriegen wurde das Kloster St. Blasien 1805 im Pressburger Frieden der Markgrafschaft Baden zugeschlagen, dem späteren Grossherzogtum Baden. Die eigentliche Säkularisation des reichen Klosters und der Verkauf seiner Güter erfolgte 1807. 1812 kauften Moses und Joseph Guggenheim aus Lengnau die noch verbliebenen sanblasianichen Gefälle und Besitzungen im Aargau und Kanton Zürich und verkauften sie im gleichen Jahr an Zürich für 80000 Gulden weiter. Die Zinspflicht des Meierhofs in Otelfingen wurde erst 1817 aufgekündigt.

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