2. Ein Bauernhaus wird zum Mehrfamilienhaus

Situation vor dem Umbau

3. Nord- und Südfassade, aufgenommen von Arch. W. Wegmann, 1984
Bachjoggels Haus, giebelständig zum Bach gelegen und in der für Otelfingen vorherrschenden Ost-West-Ausrichtung, ist eine weitere Variante des hier üblichen langgestreckten Vielzweckbauernhauses mit Wohnhaus und Oekonomieteil unter einem gemeinsamen, geknickten Satteldach. Das dreigeschossige Wohnhaus in Riegelbauweise lag im Ostteil des Baukörpers und war vor dem Umbau vollkommen verputzt. Daran schloss sich gegen Westen der Oekonomietrakt mit Tenne und Stall in Mischbauweise an. Dem Stall nach Süden vorgelagert war wohl der ursprüngliche Schweinestall, der spätere Pferdestall. Nach Westen, etwa in gleicher Grösse wie der Stall, folgte das Trotthaus, das später als Geräte- und Pressraum genutzt wurde. In gleicher Bautiefe wie der Schweinestall, aber von diesem durch einen kleinen Durchgang getrennt, befand sich vor dem Trotthaus gegen Süden die Werkstätte, wie der Schweinestall gedeckt durch das darüber gezogene Satteldach. Der Holzschopf von 1897 wurde hingegen mit einem Pultdach an die Westmauer des Trotthauses aus Bruchsteinen angebaut. Der Waschhausanbau schliesslich schloss als massiger Querbau mit eigenem Satteldach an die Nordwand des Holzschopfs an. Nach Süden erstreckte sich ein grosser Baumgarten, nach Osten zum Bach ein mit einem Gartenhag eingezäunter Bauerngarten.

Der Umbau

4. Grundriss Umbauprojekt von Arch. Rolf Lüthi
Bachjoggels Haus gehört zu den schützenswerten Häusern des Otelfinger Dorfkerns; es ist im Inventar von 1986 als ein „stark von ursprünglicher Erscheinung abweichendes, mehrfach verändertes Gebäude“ eingestuft, das aber von „ortsbaulichem Situationswert als erstes linksseitiges Gebäude am Dorfbach mit starker Exposition“ ist. Gewünscht wurde deshalb die „Erhaltung von Gebäudestellung und Volumen von Hauptbau, wenn möglich auch des hofbildenden Querbaus“ , „bei Ersatz Wiederverwendung der wesentlichsten Strukturmerkmale“ und die „Erhaltung des Gartens als Grünraum zwischen Haus und Dorfbach“ sowie eine differenzierte Gestaltung und Begrünung des Hofplatzes zum Dorfbach“.

Unter diesen Vorgaben, die den generellen Otelfinger Planungszielen für den Dorfkern entsprechen, war der Umbau des alten Bauernhauses in ein Mehrfamilienhaus eine herausfordernde Aufgabe für den Architekten Rolf Lüthi. Ob er eine befriedigende Lösung für die neue Nutzung finden konnte, entschied über Abbruch oder Beibehaltung zumindest eines Teils der altehrwürdigen Liegenschaft.

Lüthi nahm die Herausforderung an. Den ursprünglichen Baukörper behielt er bei; ersatzlos abgebrochen sollten lediglich die südlichen Stall-Anbauten samt dem darüber gezogenen Dachteil; auch auf der Nordseite wurde die Dachtraufe auf einheitlicher Höhe durchgezogen.

Den ganzen Komplex unterteilte Lüthi vertikal in vier dreigeschossige Häuser mit total sechs Wohnungen. Die alte Dachhaut und Dachkonstruktion behielt er bei, allerdings wurden zur Belichtung der umgenutzten grossen Dachräume auf der Südseite vier auf der Nordseite drei hochformatige Lukarnen aufgesetzt.

5. Südfassade, definitive Projektvariante, 28.3.1988
Der alte Wohnhausteil behielt seine Aussenmauern und teilweise auch die Innenmauern, was möglich war, weil sich seine Funktion gleich blieb; er ist somit der Bauteil mit dem grössten Anteil an ursprünglicher Bausubstanz. Die hohe Ostfassade mit ihrem steilen Giebel, die mit ihren nur zwei seitlichen, einflügligen Fenstern im Erdgeschoss ehemals recht abweisend wirkte, erhielt ein einladenderes Gesicht durch Verdoppelung der Erdgeschossfenster; zudem wurde das zentrale Fenster im zweiten Geschoss durch zwei neue Fenster ersetzt. Der Ausbruch der neuen Fenster war der Grund, weshalb die Fassade ganz verputzt blieb und die ursprünglichen Riegel beim Umbau nicht freigelegt wurden. Die Süd- und Nordfassade des Wohnteils blieben praktisch unverändert, auch die alte Haustür wurde beibehalten; gegen Süden veränderte allerdings ein neuer, von Holzstützen getragener Balkon mit darüber gezogenem Dach den ursprünglichen Aspekt.

Anders verhielt es sich beim ehemaligen Oekonomieteil des Hauptbaus, der naturgemäss keine innere Struktur hatte, die sich nur annähernd für den geplanten Einbau von zwei Hauseinheiten geeignet hätte. Er wurde bis auf die alte westliche Bruchsteinmauer komplett erneuert.

Von Grund auf als vierter Hausteil neu in Holz aufgeführt wurde der alte Holzschopfanbau, der zudem gegen Westen arrondiert und um einen Wintergarten angereichert wurde. Ebenfalls abgerissen wurde der alte Querbau mit dem Waschhaus und in etwa gleichem Volumen und mit gleichartiger Bedachung wieder aufgebaut. Er umfasst heute nebst den Garagen eine kleine Wohnung, die zum vierten Hausteil gehört.

6. Nordseite, 2004
Von Norden her ist der Übergang des alten Wohnhausteils zum ehemaligen Oekonomietrakt auch heute noch klar sichtbar, indem Lüthi Struktur und Material des ehemals angrenzenden hohen Scheunentors in eine graugefasste Holzblende übersetzte, die im ersten Geschoss die ganze Breite des mittleren Wohnhausteils überzieht. Die Fassade des dritten Hausteil besteht wieder aus Mauerwerk wie der ursprünglich hier befindliche Stall. Ganz gemäss den Vorgaben zeichnet die Gliederung der langgezogene Nordfassade damit sowohl die alten Funktionen des Bauernhauses nach wie auch die Aufteilung in die heutigen Wohnhausteile. Die im Bereich des ehemaligen Oekonomietraktes tiefer liegenden, ungleichen und unregelmässig eingesetzten Fenster und Türen beleben die Fassade zusätzlich.

Ähnlich ging Lüthi auch auf der Südseite des Hauses vor, wo sich der Wechsel vom alten Wohnhausteil zum ehemaligen Oekonomieteil wiederum durch Anbringung einer grauen, über die ganze Breite des ersten Geschosses des mittleren Wohnhausteils angebrachten Holzblende anzeigt; wegen dem vorgestellten Holzbalkon vor dem alten Wohnhausteil fällt er allerdings etwas weniger ins Gewicht als auf der Nordseite. Der anschliessende Wohnhausteil ist wiederum ganz gemauert, der vierte Wohnhausteil schliesslich, der anstelle des alten Schopfanbaus folgt, ganz aus Holz. Die ganze Südfassade wird durch den Materialwechsel, der die heutige innere Aufteilung des Baukörpers anzeigt, neu rhythmisiert. Dadurch, wie auch durch den ersatzlosen Abbruch des Südanbauten und des weit darüber hinabgezogenen Daches und die neue, dichte Befensterung des alten Oekonomieteils, fällt die Umnutzung auf der Südseite jedoch optisch wesentlich stärker auf als auf der Nordseite.

Den Hofbereich vor der Nordfassade gliederte Lüthi in der Tradition der Bauerngärten durch drei mit kleine Buchshecken eingefasste Vorgärtchen mit Kastanien und angrenzenden Besucherparkplätzen, wodurch die Forderung nach „differenzierter Gestaltung und Begrünung“ stilecht und für das ganze Anwesen wirkungsvoll erfüllt wurde.

©Erika Feier-Erni, Juli 2005


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