2. Nebennutzungen und Umbauten

5. Sitzbadewanne Mühle Otelfingen, 2007
Bis zum Aufkommen der Waschmaschine um die Mitte des 20. Jahrhunderts war das Waschen eine unglaublich beschwerliche Arbeit, selbst wenn dafür ein eigenes Waschhaus dafür zur Verfügung stand, dessen Infrastruktur der Entwicklung angepasst wurde, z.B. im beginnenden 20. Jh. durch die Zuleitung von Wasser und Strom. Der Waschtag zog sich meist über mehrer Tage hin und beanspruchte in der Regel alle Frauen des Haushalts. Entsprechend dem grossen Aufwand wurde die Wäsche von mehreren Wochen oder gar Monaten zusammengenommen. Anders als eine heutige Waschküche stand das Waschhaus in der übrigen Zeit leer und konnte für andere Tätigkeiten, insbesondere solche, für die ein Ofen und Wasser benötigt wurden, genutzt werden. Die Waschhäuser waren somit multifunktional.

So wurde das Waschhaus des Otelfinger Pfarrhauses ausdrücklich als Wasch- und Backhaus bezeichnet. Im Waschhaus der Mühle, zu der ein gutbestückter Schweinestall gehörte, wurde noch im 20. Jh. das Schweinfutter gekocht; zudem erinnert eine noch vorhandene mobile Sitzbadewanne daran, dass die Waschhäuser bis zum Einbau von Badezimmern auch als Badestuben verwendet wurden.

6. Waschhausbesitzer Jakob Schibli beim Metzgen
Im weiteren war es seit jeher allgemein üblich, die Waschhäuser als Metzg zu benutzen, wenn der Störmetzger auf den Hof kam. Zwar wurden die Tiere für den Eigenbedarf in der Regel im Freien geschlachtet, fürs Brühen, Putzen und Zerteilen waren die Einrichtungen des Waschhauses aber sehr dienlich. Jüngeren Datums ist das Brennen von Branntwein in den Waschhäusern; auch im Waschhaus Nr. 46 wurde bis Ende der 50er Jahre mit behördlicher Bewilligung Schnaps für den Verkauf hergestellt.

Ein im Jahre 1919 vom Kanton Zürich erlassenes Viehversicherungsgesetz regelte die Notschlachtung von Vieh neu. In den Otelfinger Versicherungsbüchern wird der damalige Besitzer des Waschhauses Nr. 46, Hans Jakob Schibli, der Landwirt und Störmetzger war, ab diesem Datum nebst anderen als „Metzger fürs Schlachten“ entlöhnt; gemäss Lohnsumme war er zuständig für die Mehrheit der anfallenden Notschlachtungen, die nach Überlieferung beim oder in Schiblis Waschhaus stattfanden.

7. Kaminhut und Wetterfahne, 2007
Das Waschhaus trug bis 2006 im östlichen Giebelfeld im Datumsfeld die Jahrzahl 1921. Sie dürfte sich auf die baulichen Massnahmen beziehen, mit denen das Waschhaus feste Einrichtungen für die Notschlachtungen erhielt. So wurde wohl damals der Raum durch Einzug einer Zwischenwand aufgeteilt; der kleinere Raum gegen Westen wurde für die Zerteilung und den Verkauf des Fleisches benutzt, während im grösseren Raum, in dem der Ofen stand, an der Decke ein Flaschenzug für das Aufhängen des Grossviehs und an den Wänden diverse Fleischhaken angebracht wurden. Damit der Verkaufsraum von der Strasse her direkt zugänglich war, wurde das rechte Fenster herausgebrochen und stattdessen die heutige zweite Tür eingefügt. Wohl ebenfalls damals erhielt dieser Raum seine gemusterten Bodenfliesen. Zudem führt wohl seit damals vom östlichen Raum eine schmale Holztreppe auf den Dachboden, was hier die Einrichtung eines mittlerweile wieder aufgegebenen Taubenschlages ermöglichte, den die Vögel durch das östliche Giebelfenster erreichen konnten.

Gemäss Überlieferung hatten die Notschlachtungen bei der Belegung des Waschhauses Nr. 46 Priorität, aber da sie in einem kleinen Dorf wie Otelfingen nicht besonders häufig vorkamen, wurde dadurch die Benutzung des Waschhauses fürs Wäschewaschen oder Schnapsbrennen nicht erheblich eingeschränkt. Entsprechend seiner Verwendung auch als offizielle Notschlachtstelle hat sich bei der älteren Bevölkerung der Name "Schlachthaus" oder "Metzg" für das Waschhaus Nr. 46 eingebürgert, obwohl hier seit den sechziger Jahren nicht mehr geschlachtet wurde und das Haus bald nur noch als Abstellraum genutzt wurde.

Für das funktionslos gewordene Häuschen zeichnete Architekt Pit Wyss aus Dielsdorf 1977 Pläne für den Umbau in eine Garage für den Mähdrescher, wofür auf der Westseite ein Tor hätte ausgebrochen und die zweite Eingangstür wieder auf ein Fenster hätte zurückgebaut werden sollen; der Umbau wurde allerdings nie realisiert.

8. Umbauprojekt von Pit Wyss, 1977
Das Waschhausäussere wurde 1984 samt Inschrift renoviert. 2006 schliesslich wurde das Haus erneut frisch gestrichen und neu gedeckt und mit einem dekorativen Dachkranz versehen; das Datum 1993 im östlichen Giebelfeld erinnert an den Brand des Bauernhofes dahinter. Das Innere ist derzeit im Umbau begriffen; unter der Anleitung von Häfele Bauleitungen AG, Otelfingen, wird in Fronarbeit eine neue Holzdecke und ein neuer Boden in beiden Räumen eingezogen und eine Toilette eingebaut. Nach Vollendung des Umbaus wird das Waschhaus eine ganz neue Funktion erhalten: es wird von Fritz Zollingers 1986 gegründetem Jugendzirkus Otelli als Probenlokal benutzt werden.

© Erika Feier-Erni, Februar 2007


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