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Otelfingen, Detail von Gemeindebrunnen von Josef Köppel, 1944
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1. Der Brunnen und sein Bildhauer

1. Der Brunnen heute
Der kleine, wohlproportionierte Brunnen aus Kunststein ist auf seiner Frontseite mit dem Otelfinger Wildschweinwappen geschmückt, daneben steht die Inschrift "Gemeinde Otelfingen 1944". Sie erinnert, wie aus den Recherchen hervorgeht, an das Gemeindewerk der Drainage Lauet. Das Wildschweinrelief ist eine durchaus freundliche und im Stil der 50er Jahre gehaltene kompakte Darstellung des Otelfinger Wappentiers. Bemerkenswerterweise ist die Gussform zum Wildschein erhalten geblieben. Der Brunnen befindet sich heute nicht mehr an seinem ursprünglichen Platz; er stand an der Landstrasse Richtung Buchs, im "Lauet" genannten Gebiet östlich des Dorfes.

Dort war früher, wie auch im östlich angrenzenden Landstrich, wo heute der Golfplatz liegt, Sumpfland. Während das östliche Gebiet bereits 1918/23 entwässert wurde, blieb das Ried im Lauet bestehen. Erst im Zusammenhang mit dem Plan Wahlen erfolgte auch hier die Trockenlegung. Bezugnehmend auf den Bundesratsbeschluss vom 11.2.1941 über "ausserordentliche Bodenverbesserungen zur Vermehrung der Lebensmitttelerzeugung", stellte die Gemeinde Otelfingen am 29.1.1944 einen Subventionsantrag für eine Drainage, die bereits im April des Jahres in Angriff genommen wurde. Die aus den betroffenen Grundeigentümern gebildete Drainagegenossenschaft sah im Rahmen der Drainagearbeiten auch einen Brunnen vor, der mit Quellwasser vom höher gelegenen Krähbuck gespeist werden sollte.

2. Im Atelier Köppels
Die Offerte für die Trinkwasserleitung und den Anschluss des Brunnens mitsamt Brunnenröhre legte der Otelfinger Schlosser Josef Schwitter (1892-1966) bereits am 10.Oktober 1944 vor. Im Ausführungsplan von 1945, geprüft und richtig befunden vom Meliorationsamt des Kantons Zürich 1947, wird "ein Brunnen aus Naturstein" aufgeführt. Der Hersteller dieses Brunnens wurde nicht explizit erwähnt; diverse Zeitgenossen bringen jedoch den ortsansässigen Maurer Lidio Perolini damit in Verbindung. In der Abrechnung von 1944-46 wird Perolini unter dem Punkt subventionsberechtigter Entwässerungskosten als Empfänger von Fr. 268.- und Fr. 3203.70 aufgeführt; es wäre denkbar, dass unter diese Kosten auch der Brunnen aus Naturstein fiel. Mit Sicherheit ist dieser Brunnen aber nicht derjenige von der Hinterdorfstrasse, der aus Kunststein gefertigt ist.

Bei den Drainageakten findet sich interessanterweise eine Offerte vom 7. April 1954 von Josef Köppel, Bildhauer aus Widnau/SG (1880-1958) für einen "Brunnentrog in Kunststein (Granitimitation) gestockt, Troginneres wasserdicht abgeglättet, für Fr. 285" Die Abrechnung von 1954-57 belegt, dass Köppel den Brunnen auch ausführte und dafür Fr. 448.- , plus Fr. 64.30 für Fracht und Montage von der Drainagegenossenschaft erhielt.

Eine Erklärung für diesen zweiten Brunnen, entstanden somit 10 Jahre nach dem inschriftlich vermerkten Datum, liefert die mündliche Tradition, nach der der Lauet-Brunnen eines Winters zerbarst. Es dürfte im Winter 1953/54 geschehen sein: Man wünschte offenbar rasch einen Ersatzbrunnen, denn in seiner Offerte vom April entschuldigte sich Bildhauer Köppel, weil er diese Sache "etwas verschleppt habe". Dass der in dieser Gegend sonst völlig unbekannte Köppel zur Offertstellung eingeladen wurde, ist eine Geschichte für sich.

Josef Schwitter, eben jener Otelfinger Schlosser, der 1944 als Röhrenlieferant für den Lauet-Brunnen in Erscheinung tritt, hatte Josef Köppel während seiner Ausbildungszeit an der Kunstgewerbeschule in München kennengelernt. Damit erklärt sich das vertrauliche "Du" der Offerte Köppels. Diese ergänzte der Bildhauer mit der Erklärung, dass ihm "Deine zur Berechnung gesandte Skizze mit Badewanneform" nicht zusage, und er zeichnete deshalb Form, Masse und Andeutung des Dekors eines Brunnens nach seinem Geschmack auf. Er setzte seine Vorstellung durch; die Drainagegenossenschaft verzichtete auf die gewünschte Badewannenform, die vielleicht den geborstenen Vorgängerbrunnen ausgezeichnet hatte. Der Brunnen an der Hinterdorfstrasse indessen entspricht genau Köppels Angaben. Zudem ist beim Sohn Josef Schwitters eine mit dem Stempel des Bildhauers versehene Fotografie zum Vorschein gekommen, die den Brunnen noch im Bildhaueratelier zeigt. Er darf füglich eindeutig als das Werk Josef Köppels bezeichnet werden.

Als 1958 die Tank AG in unmittelbarer Nähe zum Lauet-Brunnen ein Hochtanklager aufstellte, verloren Landschaft und Brunnen viel von ihrem ursprünglichen Reiz. Am 24. Juni 1960 rief der Gemeinderat die Drainagegenossenschaft als Eigentümerin der Brunnenanlage eindringlich auf, Massnahmen gegen die Unordnung beim Brunnen zu treffen, "wo ständig Abfälle herumliegen und in die anstossenden Grundstücke geworfen werden." Nach dem Ausbau der Tanklager in östliche Richtung 1961 und der Ansiedlung der Steinkohlen AG mit einer Benzintankanlage 1963 verlor der Brunnen seine Funktion. Am 3. Februar 1964 verkaufte ihn die Drainagegenossenschaft schliesslich für 400.- Franken an die Gemeinde; die an der Hinterdorfstrasse den heutigen Standplatz für ihn fand.

Erika Feier Erni


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