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Otelfingen, Schulhaus von 1877 / heute Gemeindehaus

2. Planung und Bau des Schulhauses von 1877. Die Krone und Zierde der Gemeinde entsteht

Am 17. Juni 1875 genehmigte die Bezirksschulpflege Dielsdorf die Pläne für den Bau eines neuen Schulhauses in Otelfingen und für den Bauplatz. Ihre Genehmigung verknüpfte sie allerdings mit der bereits früher geäusserten Forderung nach Arrondierung des Bauplatzes auf eine gerade Linie durch Zukauf und Abbruch eines dort stehenden Waschhauses. Im weiteren wurden die Erstellung eines Brunnens und Wasserleitungen in die Lehrerwohnungen verlangt, ein freistehender "Turnschopf" anstelle des geplanten Turnlokals im Keller und Kachelöfen statt Blechöfen.

5. Schulhaus mit Lehrergärten, Foto um 1920
Mit dem Ersatz der Blechöfen durch Kachelöfen konnte sich die Schulgemeinde abfinden, ebenso mit dem geforderten Abbruch des Waschhauses, für das sie selbst bereits ein Enteignungsverfahren eingeleitet hatte. Die übrigen Auflagen der Bezirksschulpflege lehnte sie jedoch per Rekurs am 12. Juli 1875 ab. Insbesondere erachtete sie die Arrondierung des Bauplatzes als unsinnig, weil dies für den Bau selbst bedeutungslos, auf dessen Nord- und Südseite aber zu nutzlosen Vorsprüngen führen würde. Sie wurde in diesem Punkt vom Erziehungsrat geschützt, da " es sich dabei nicht um die Frage des Bedürfnisses handelt, sondern [...] dem Verlangen der Bezirkschulpflege nur Schönheitsmotive zu Grunde liegen". Der Erziehungsrat fand die von der Schulgemeinde gewählte Linie als "nicht unangenehm ins Auge fallend; zum "wirklichen Schaden der Schönheit der Baute" beurteilte er hingegen die Drohung der Gemeinde, das Schulhaus mehr gegen die Strasse vorzurücken, falls die Forderung nach der "geraden Linie" beibehalten würde.

In ihrer Rekursschrift erklärte sich die Schulgemeinde Otelfingen bereit, einen Brunnen mit Fliesswasser vor dem Schulhaus zu erstellen. Betreffend die Wasserleitung zu den Lehrerwohnungen befand sie jedoch, dass es unter keinen Umständen möglich sei, das Wasser in die Wohnungen hinaufzutreiben, da die Quelle für die Dorfbrunnen für eine solche Einrichtung zu tief liege. Hoffnungsvoll schrieb sie dazu , dass ihr die Oberbehörde den Bau einer Leitung von einer andern Seite her wohl nicht zumuten wollten. Dies wurde dann auch nicht zugemutet, die Bezirksschulpflege formulierte ihre Forderung nur mehr als Wunsch. Und die Lehrerwohnungen erhielten definitiv keinen Wasseranschluss, ein Umstand, den später Lehrer Gut, nach seinem Einzug in eine der beiden Wohnungen, unverzüglich zu ändern trachtete.

6. Schulhaus mit südl. Vorplatz von 1956,2002
Ganz entschieden lehnte die Schulgemeinde die Forderung der Bezirkschulpflege ab, anstelle des Turnlokals im Keller einen "freien gedeckten Turnschopf" bauen zu müssen, denn bei schönem Wetter werde ohnehin auf dem Platz vor oder hinter dem Schulhaus geturnt. Bei schlechtem Wetter wäre der Kellerraum für diesen Zweck nicht nur gross, sondern auch hell genug, weil durch die Fenster des über den Erdboden hinausragenden Kellergeschosses genügend Licht einfallen könnte. Die Schulgemeinde ergänzte, dass diese Erhöhung des Kellergeschosses auf Empfehlung von Staatsbaumeister Roth in die Planung eingeflossen wäre. Überdies bezweifelte sie die Rechtmässigkeit der Forderung nach einer freistehenden Turnhalle, weil vor zwei Jahren in Wiedikon oppositionslos ein neues Schulhaus mit Turnräumlichkeiten im Kellergeschoss gebaut worden wäre, und pochte auf Gleichbehandlung.

Der Hinweis auf Staatsbaumeister Johann Rudolf Roth lässt aufhorchen, denn damit wird dokumentiert, dass dieser auch bei der Planung des Schulhauses in Otelfingen zumindest in beratender Funktion tätig war. Roth werden 40 Schulhäuser im Kanton Zürich zugeschrieben, darunter auch das von der Schulgemeinde erwähnte Schulhaus Wiedikon. Bei einem so renommierten Ratgeber mochte der Erziehungsrat die Forderung der Bezirksschulpflege wohl nicht unterstützen und behaftete die Schulgemeinde Otelfingen lediglich bei der "gehörigen Zurichtung des Erdgeschosses zu einem warmen und hellen Turnraum".

Am 30. August 1875 wandte sich Sekundarschullehrer Heinrich Gut als Präsident der Baukommission an den Erziehungsrat und bat um schnelle Bearbeitung des Otelfinger Rekurses, denn "der Baumeister möchte nun gern mit der Ausführung der Detailpläne beginnen und doch den Entscheid des hohen Erziehungsraths noch abwarten, damit an denselben keine Änderungen vorgenommen werden müssen." Weder aus diesem noch aus andern Dokumenten ist der Name des betreffenden Baumeisters zu erfahren. Nach mündlicher Überlieferung war dies Baptist Sekinger (*1835) aus dem Nachbarweiler Kempfhof (heute Würenlos).

Dem Erziehungsrat fehlten zum Entscheid aber offenbar die Pläne. Am 2. September 1875 meldete sich der Präsident der Bezirksschulpflege Dielsdorf, der die Meinung vertrat, er habe "dieselben in besonderem Pakete mit den Gutachten" abgeben lassen. Am 12. August habe er notiert, "visiert Gutachten betr. Otelfingen an den Bezirks- Rath" und er bat den Erziehungsrat, nochmals nachzusehen, denn er "glaube zuverlässig" die Pläne müssten bei ihm sein.

Am 6. Oktober 1875 wurden die wiederaufgetauchten Pläne genehmigt und am 13. November 1875 bewilligte die Schulgemeindeversammlung Landkauf und Tausch, womit auch die Bauplatzfrage definitiv geregelt war. Dem Bau des Schulhauses stand nichts mehr im Wege.

Gegen Ende der Bauzeit setzte die Planung der Innenausstattung ein, kostenbewusst und sorgfältig, und zeichnet die Möblierung eines Landschulhauses nach. Am 4. Januar 1877 wurde eine Kommission gebildet, die "einerseits die Litteratur über Schullbänke studiert und andererseits über bereits zur Verwendung gekommene Systeme das Urtheil von Lehrern " in Erfahrung bringen solllte. Am 31. Mai legte die Kommission ein Bankmuster vor, das sie hatte anfertigen lassen, und man beschloss, 50 Stück ausschreiben zu lassen, inklusive den Gartenzaun. Auf die Ausschreibung gingen 7 Offerten ein. Die interessantesten zwei Anbieter, D. Denzler in Baden und Joh. Fischer in Stetten, wurden nach Otelfingen zu Verhandlungen eingeladen, "ob sie nicht in eine Theilung der Arbeit willigen würden und ferner, ob nicht je der eine auf die Preise des andern hinunterzugehen sich entschliessen könnte." Am 7. Juni wurde das übrige Mobiliar für die Schulzimmer und für die Arbeitsschule beschlossen, zwei kleine Tischchen aus Tannenholz mit verschliessbaren Schubladen, 10 Stück "nussbaumene Brettlisessel" und ein Gestell für die Wandtafel.

Zur Zeit der Vollendung des neuen Schulhauses, im Schuljahr 1876/77, zählte die Primarschule Otelfingen 68 Alltagsschüler, dazu, auf drei Klassen verteilt, insgesamt 24 Ergänzungsschüler, und 23 Singschüler; die Arbeitsschule besuchten 16 Schülerinnen. Für heutige Begriffe wäre das Schulhaus mit je einem Zimmer für die Primar- und die Sekundarschule und einem kleinen Raum für die Arbeitsschule von allem Anfang an zu klein dimensioniert gewesen, doch damals beurteilte man das offenbar anders.

7. Schulhaus von Osten, 2002
Die Einweihung des Schulhauses mit einem grossen Fest wurde auf den 7. Oktober 1877 festgelegt. Das Programm lag am 27. August in grossen Zügen fest und sorgte prompt wieder für Missstimmung im Dorf. Zuerst sollte sich ein Festzug zu den beiden alten Schullokalen begeben und diese mit Gesang und Ansprachen feierlich verabschieden. Beim neuen Schulhaus waren dann Darbietungen der Schüler geplant; sie sollten singen, eine "dramatische Aufführung mit Declamationen" zeigen und vorturnen.
Die Schulpflege hatte die Idee, das anschliessende Mittagessen für die Honoratioren im Schulhaus auftischen zu lassen, und da dies offenbar ein nicht ganz alltäglicher Wunsch war, hatte sie vorgängig abzuklären, ob einer der örtlichen Wirte dazu bereit war. In der Offerte für das Essen sollte je 1 Liter Wein für die männlichen und je ½ Liter für die weiblichen Gäste enthalten sein. Der Wirt hatte auch für die Verköstigung der Kinder aufzukommen, die nebst Wurst und Brot ebenfalls je ½ l Wein, dasselbe Quantum also wie die Frauen, erhalten sollten, eine für heutiges Verständnis doch ganz erstaunliche Anordnung der Schulbehörde. Neben der Verköstigung sollte der Wirt die Musik für den Festzug und das Essen organisieren. Den Abschluss des Festes sollte ein Feuerwerk mit einer Sonne im Betrag von Fr. 40.- bilden.

Während der Neuhaus-Wirt alsbald seine Offerte einreichte, kam vom Restaurant Höfli keine Antwort, dafür aber eine Intrige – ein schlechtes Omen für den Dorffrieden.

Am 28. September nahm die Schulpflege bedauernd zur Kenntnis, dass Erziehungsrat Stössel wegen Terminkollision an der Schulhauseinweihung nicht teilnehmen konnte. Eine Terminverschiebung war aber nicht möglich, weil Otelfingen am nachfolgenden Sonntag mit der Einweihung der Eisenbahnlinie bereits das nächste grosse Fest bevorstand. Weiteres Ungemach drohte der Einweihungsfeier von Seiten der Dorfmusik. Diese verlangte für ihren Auftritt eine Entschädigung von Fr. 25.- und kündigte an, dass sie sich verpflichtet hätte, bereits um 15 Uhr im Höfli zum Tanz aufzuspielen; falls sie wegen diesem Engagement am Essen im Schulhaus nicht teilnehmen könne, wollte sie gar einen Lohn von Fr. 30.- Da gleichzeitig acht für das Festessen aufgebotene Serviertöchter erklärten, ebenfalls auf 15 Uhr weggehen zu wollen, um in den beiden Wirtshäusern aufzuwarten, ist hinter dieser konzertierten Aktion wohl der Höfliwirt zu vermuten, der die offizielle Feier zu stören trachtete. Die Schulpflege erhielt den Auftrag, ihn inständig zu bitten, die Musik doch wenigstens bis 16 Uhr im Schulhaus zu belassen und andere Aufwärterinnen anzustellen.
Die Aussprache verlief wohl heftig, denn die Mitglieder der Musik sagten beleidigt ihre Teilnahme als Musiker und Sänger an der Einweihung ab. Die Schulpflege, die "das Störende eines solchen Rücktrittes nicht in Abrede stellen konnte", beschloss, das Fest trotz allen Widrigkeiten am festgesetzten Datum stattfinden zu lassen. Sie wollte versuchen, andere Sänger aufzubieten und statt der Dorfmusik "die Musik von Herrn Schibli", des Neuhaus-Wirts, in Anspruch zu nehmen. Falls die boykottierenden Musiker doch an der Einweihung mitmachen wollten, würde ihre Entschädigung von der Schulpflege festgelegt.
Die Musikgesellschaft signalisierte daraufhin Bereitschaft für einen Musik- und Gesangsauftritt wie ursprünglich vereinbart, beharrte aber auf einer Entschädigung von Fr. 30.- und verlangte eine schriftliche Einladung. Die Schulpflege, inzwischen wohl anderweitig organisiert, lehnte ab. Ob die Einweihung doch ein gelungenes Fest wurde, ist nicht überliefert.

8. Eingangsportal auf der
Westseite, 2002
Den Endpunkt unter die Geschichte des Neubaus setzte der Erziehungsrat am 12. April 1879 mit der Festsetzung eines Staatsbeitrag von Fr. 5800.- an die Baukosten. Es wurde notiert, dass Otelfingen damals 90 aushalHaushaltungen und 140 Bürger hatte und die Schulgemeinde über ein Steuerkapital von Fr.200000.-verfügte.
Die Gesamtausgaben für das neue Schulhaus mit zwei Lehrzimmern und zwei Lehrerwohnungen betrugen Fr. 98600.- Für die Berechnung der subventionsberechtigten Kosten wurden Fr. 19500 abgezogen, nämlich Fr. 5000.- für den Bauplatz, Fr. 2000.- für Lokalitäten für andere Zwecke, für Bauleitung Fr. 3500, für Zinsen Fr. 3500.-, für freiwillige Beiträge Fr. 2300 und für das alte Schulhaus (Assekuranzwert) Fr.3200.- Otelfingen und die benachbarten Sekundarschulgemeinden hatten also Fr. 92800.- selbst aufzubringen. Otelfingen hatte als Standortgemeinde wohl den Löwenanteil zu tragen. Da gleichzeitig auch grosse Aufwendungen für eine andere neue öffentliche Aufgabe, die Bahn, zu tätigen waren, sass das Dorf während langer Jahre in der Schuldenfalle.

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