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Otelfingen, Waschhaus mit doppeltem Hausspruch
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1. Geschichte und Typus des Baus

1. Ansicht von Nordost, 2007
1993 brannte ein grosser Bauernhof mit schönem Riegelwerk an der Vorderdorfstrasse 48 bis auf die Grundmauern nieder. Auf dem geretteten alten Stirnbalken, der im Nachfolgebau, einem Mehrfamilienhaus von gleichem Bauvolumen an gleicher Stelle wieder eingefügt wurde, ist - wohl als Baujahr - die Jahrzahl 1747 nebst den Initialen HB eingekerbt. Im östlichen Giebelfeld des zerstörten Hausteils fanden sich ehemals wiederum die Initialen HB und die Jahrzahl 1754, die wohl die Vollendung des Baus vermeldete.

Zugehörig zum Hof und dem Oekonomieteil unmittelbar vorgelagert wurde ein freistehendes, traufständiges Häuschen über rechteckigem Grundriss (Nr.46), das heute direkt an die Strasse anstösst. Es ist ganz gemauert und gedeckt mit einem geknickten Satteldach; darauf ist ein Kamin mit einem originellen Kaminhut in Form eines Häuschens und einer als Taube gestalteten Wetterfahne aufgesetzt. Auf beiden Längsseiten sind in Sandsteinrahmen zwei vergitterte Fenster mit Fensterladen angebracht; auf der Nordseite wurde das rechts der Mitteltür befindliche später zu einer zusätzlichen Tür ausgebaut. Je ein zusätzliches hochrechteckiges Fenster befindet sich im Giebelfeld der Schmalseiten.

2. Inschriften auf der Nordseite, 2007
Strassenseitig, über der Mitteltür, ist eine kunstvolle breite Inschrift mit dem Spruch angebracht: "Wer Gott vertraut, hatt wol gebaut, Im Himmel und auf Erden, Wer sich verlässt auf Jesu Schrift, dem mus der Himmel werden". Darunter folgen die Majuskeln W.E.B.U.G.V.T.S.M.E. L.G.W.S.W.E.I.V.A.S.H.E.H. die, als Wort gelesen, keinen Sinn ergeben. Interessanterweise findet sich die gleiche Buchstabenfolge bereits auf dem geretteten Stirnbalken des zerstörten Bauernhofes Nr. 48. Gemäss Überlieferung handelt es sich um die Wortinitialen von dessen Hausspruch: "W[enn] E[iner] B[aut] U[nd] G[ott] V[er]T[raut] S[o] M[uss] E[r] L[assen] G[ott] W[alten] S[o] W[ird] E[r] I[hn] U[nd] A[uch] S[ein! H[aus] E[r] H[alten]". Dass diese Buchstabenfolge kopiert und dem eigenen Hausspruch angefügt wurde, bestätigt die Zusammengehörigkeit der beiden Bauten und auch die Freude der Besitzer am Buchstabenrätsel. Wann die Inschrift angebracht wurde, lässt sich nicht feststellen, sicher war sie aber 1957 schon vorhanden.

3. Inschriften auf der Nordseite, 1957
Dieses einfache kleine Gebäude ist im ersten Assekuranzverzeichnis von 1813 als Waschhaus bezeichnet; es gehörte damals, wie der Bauernhof von 1757 dahinter, Rudolf Bopp. Es ist somit anzunehmen, dass es zwischen 1757 und 1812 entstanden ist. Ein unmittelbar links vom Waschhaus stehender Laufbrunnen mit Quellwasser trägt wie der Bauernhof die Initialen H.B und die Jahrzahl 1804. Ob die Neugestaltung des Brunnens mit dem Bau des Waschhauses in Verbindung steht, lässt sich nicht in Erfahrung bringen.

Waschhäuser als eigenständige Bauten gibt es in den wohlhabenderen Gegenden der Zürcher Landschaft schon im 18. Jh. und sie kamen insbesondere im 19. Jh. bei Bauernhäusern häufig vor. In Otelfingen stand wohl bei der Mehrheit der grossen Höfe ein eigenes Waschhaus, je nach Landreserve freistehend oder angebaut; viele von diesen Waschhäusern haben sich bis heute erhalten, z.B. beim Pfarrhaus (vor 1745), bei Thisis Hof (frühestens 1787), bei der Mühle (1810), beim Hof Mühlegasse 1 (1843), beim Schulhaus (1877), bei Hauptmes Hof (1901), um nur einige zu nennen.

Mit der Auslagerung des Waschprozesses in separate Waschhäuser hoffte man damals, die erhebliche Brandgefahr eindämmen zu können, die vom Waschen in der Küche ausging, insbesondere vom Sechten, der Erhitzung der als Waschmittel dienenden Buchenaschenlauge in den grossen Sechtkesseln. So war seit 1820 im Oberamt Regensberg, zu dem auch Otelfingen gehörte, "alles Sechten unter Strohdächern unbedingt verbotten, und dadurch sah man sich, da wo keine Gemeind-Waschhäuser waren, genöthigt, solche auf Privat-Unkosten zu erbauen". In der Stadt Zürich hatte der Rat bereits gegen Ende des 15. Jh. das Sechten in den Hausküchen verboten und dafür bei öffentlichen Brunnen Sechtöfen aufstellen lassen. Solche amtlichen Verbote förderten selbstredend die Verbreitung der Waschhäuser.

Aus Gründen der Brandsicherheit waren die Waschhäuser gemauert; Fachwerk wurde nur in Bereichen ausserhalb der direkten Gefahrenzone verwendet. In Otelfingen ist dies beispielsweise bei den Waschhäusern sowohl des Pfarrhauses wie der Mühle, denen beiden ein Zimmer in Riegelbauweise aufgesetzt wurde, zu beobachten.

4. Ansicht mit Brunnen von Ost, 2007
Die Waschhäuser bestanden in der Regel aus einem einzigen Raum, nach oben abgeschlossen durch eine Bretterdecke. Der Dachboden darüber war meist nur von aussen über eine Leiter erreichbar. Kernstück der Innenausstattung war der relativ niedrige, gemauerte Sechtofen mit dem grosse Sechtkessel aus Eisen oder Kupfer. Der Kamin auf dem Dach einer gemauerten Kleinbaute verweist fast untrüglich auf ein Waschhaus. Abhilfe gegen die grosse Dampfentwicklung im Raum brachten die wie beim Otelfinger Waschhaus Nr. 46 häufig gegenseitig angebrachten vergitterten Fenster oder auch spezielle Lüftungsöffnungen. Ausschlaggebend für den Standort eines Waschhauses war die Nähe eines Brunnens, damit die Distanz fürs Wasserholen möglichst klein war. Sofern Nachbarn das Waschhaus mitbenutzen sollten, war ein Standort an der Strasse gegeben.

Das Otelfinger Waschhaus Nr. 46 entspricht ganz dem im Zürcher Unterland verbreiteten Bautypus. Eher unüblich ist die kunstvolle Hausinschrift und das originelle Buchstabenrätsel darunter. Gerade diese Inschrift trägt, nebst dem dekorativen Kaminhut, wesentlich zum besonderen Reiz dieses Waschhauses bei; es präsentiert sich wirkungsvoll im Umfeld der historischen Bauten Brauerei, Mühle und Hof Mühlegasse 1, seit ein unmittelbar westlich davon stehendes kleines Waschhaus mit einem Schopfanbau, das ursprünglich zum Hof Mühlegasse 1 jenseits des Baches gehört hatte, abgebrochen worden ist.

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