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Otelfingen, Thisis Hof, einst Ueli Heinis Höfli
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1. Die erste Gaststube Otelfingens

Thisis Hof dürfte eine recht lange Vorgeschichte haben. Nachweislich bereits im 16. Jahrhundert stand hier ein Hof, der zum Grundbesitz des Klosters Wettingen gehörte und als zins-und ehrschatzpflichtiges Lehen vergeben wurde. Bereits 1247 besass das 1227 gegründete Kloster Wettingen Güter in Otelfingen und durch Schenkungen kamen insbesondere im Verlaufe des 13. Jahrhundert noch weitere dazu.

In diesem Hof, damals Ueli Heinis Höfli genannt, befand sich die wohl älteste Gaststube Otelfingens. Im Urbar, dem Güterverzeichnis des Klosters Wettingen, wurde erwähnt, dass Ueli Heinis Höfli das Tavernenrecht besass. Es hatte also den legalen Status einer Gastwirtschaft, in der - im Unterschied zu den Weinschenken, denen nur Weinausschank erlaubt war - nebst Wein und Brot auch warme Speisen und Nachtlager angeboten werden durften; zudem konnte die Taverne auch Namen und Wirtshausschild führen.

Die Verleihung des Tavernenrechts war den Inhabern der niederen Gerichtsbarkeit vorbehalten. Gemäss den komplizierten aus dem Mittelalter überkommenen Herrschaftsstrukturen waren das im 16. Jahrhundert nicht allein die zürcherische Obrigkeit; sondern - auf ihrem Grundbesitz - auch die Klöster.

Ostfassade vor Riegelfreilegung, vor 1962
Seit der Reformation betrachtete die Zürcher Regierung das florierende Gastgewerbe aber zunehmend kritisch und versuchte, den Wildwuchs der Gaststätten in den Griff zu bekommen. In einem Sittenmandat von 1530 erstellte der Zürcher Grosse Rat zu Handen der Vögte und Ämter ein Verzeichnis der "notwendigen Wirtshäuser und Etafernen" auf der Landschaft. Dazu gehörten die meisten der von alters her bestehenden Tavernen. Die übrigen, häufig illegalen Gaststätten, die dazu beitrugen, "dass der gemeine Mann durch den übermässigen Aufwand, zu dem er veranlasst werde, verarme und in Laster und Schaden verfalle, Weib und Kind zu Haus desto übler halte und sie seine Unmässigkeit entgelten lasse" liess man eingehen, Neugründungen wurden verboten. Gemäss diesem Verzeichnis verfügte Otelfingen damals über e i n e Gaststätte. Da der Grosse Rat ein Wirtshaus pro Dorf als ausreichend erachtete, war dies wohl die Taverne Ueli Heinis Höfli.

In den Rechnungsbüchern der Vogtei Regensberg, die für die Verwaltung der Tavernenrechte im Zürcher Unterland zuständig war, erscheint Ueli Heinis Höfli in Otelfingen aber nicht; bis 1798, also bis zum Ende der alten Eidgenossenschaft, besassen nur Regensberg, Dielsdorf, Niederweningen und Klupf dieses obrigkeitliche Privileg, das also tatsächlich recht zurückhaltend gehandhabt wurde und hauptsächlich an grössere Orte mit Zentrumsfunktion oder solche an wichtigen Durchgangsstrassen verliehen wurde.

Ueli Heinis Höfli dürfte sein Tavernenrecht somit vom Kloster Wettingen erhalten haben. Da Otelfingen an der Verbindungsstrasse zwischen Zürich und Wettingen lag, betrachtete das Kloster eine eigene Taverne in Otelfingen wohl als nicht unsinnig. Das Tavernenrecht war noch im revidierten Urbar von 1798 aufgeführt; ob und in welcher Form es im ausgehenden 18. Jahrhundert noch ausgeübt wurde, ist nicht überliefert.

Inschrift auf Tor zu Weinkeller, 2002
1764 war Heinrich Surber Familienvorstand auf Ueli Heinis Höfli, in dem damals 7 Personen wohnten: "2 Männer, 2 Söhne unter 16 Jahren, 2 Weiber, 1 Knecht". Zum Hof gehörten"8 Mannwerk Wiesen, 21 Juchart Äcker, 1 Juchart 2 Vierling Reben, 3 Juchart Holz". Im Stall standen"2 Kühe, 2 München Pferde, 1 Stute, 3 Schweine."

Das heutige Haus trägt auf dem südseitigen Brustriegel das Datum 1787. Das alte Ueli Heinis Höfli war damals also teilerneuert oder ganz neu erbaut worden. Unter der heutigen Stubendecke befinden sich vermutlich aus einer älteren Küche stammende angeschwärzte Balken und im Stall liegen zwei Böden übereinander. Dass man bei Um-oder Neubauten alles verwertbare alte Baumaterial wiederverwendete, war damals jedoch durchaus üblich.

Gemäss einem ebenfalls 1787 von Dorfpfarrer Salomon Nüscheler verfassten Verzeichnis der im Dorf wohnhaften Familien und ihrer Häuser, war damals Andreas Surber (1753-1824) Besitzer des Hofes. Von ihm weiss man, dass er nicht nur als Bauer arbeitete, sondern zeitweise auch das Amt eines Amtsrichters innehatte und später das eines Unteragenten, der zugleich Mitglied des Stillstands war; er gehörte wohl zu den Dorfnotabeln.

Stern des Klosters Wettingen, Stubendecke
Andreas Surbers Hof behielt im klösterlichen Verzeichnis den Namen Ueli Heinis Höfli und war noch 1798 dem Kloster Wettingen zinspflichtig, während der Ehrschatz, eine Handänderungssteuer, die der Lehnsmann dem Lehnsherrn bei Verkäufen schuldete, nach einem Rechtshändel vom Gotteshaus schon seit 1576 nicht mehr eingefordert werden durfte. An die Zugehörigkeit zum Kloster Wettingen erinnert das im Mittelfeld der Felderdecke der Stube angebrachte Emblem des Klosters, der Stern "Maris Stella".

Das Klosterurbar beschrieb Ueli Heinis Höfli als "Ein Haus und Hoffstatt, samt Baum-und Krautgarten an und bey einanderen gelegen, Item Trotten, Speicher, Waschhaus, ohngefahr einer Jucharten gross, stosst vornan an die Dorfstrass, hinten an die Zelg gegen Baden, oben an Heinrich Schlatter, Müllers sel. Erben Baumgarten, und unten an den Pfrundgarten und Heinrich Bopp Felix Adamen im Neuen Haus Spicher". Als Besitzer wurde auch hier Andreas Surber aufgeführt.

Zum Gut gehörten "2 Jucharten 1 Vierling an Acheren in der Zelg gegen Baden, 2 Jucharten 2 Vierling in der Zelg gegen Buchs, 5 Jucharten 2 Vierling in der Zelg gegem Berg und 2 Vierling an Heuwachs".

Trotte von Süden, 2000
Dieses Land war allerdings nur teilweise im Besitz von Andreas Surber. Im Laufe der Zeit war es wohl durch Verkauf und Erbteilung auf verschiedene Besitzer aufgeteilt worden, die nun allesamt zu Abgaben an das Kloster Wettingen verpflichtet waren. Die Aufstückelung dieses Guts war keine Ausnahme. Es waren gerade solch unübersichtlichen Besitzverhältnisse, die ein neues Verzeichnis über den klösterlichen Grundbesitz und die daraus fliessenden Abgaben notwendig gemacht hatten. Ebenso waren klare Regelungen für die Eintreibung und Ablieferung der geschuldeten Leistungen zu treffen. Für Ueli Heinis Höfli waren "Caspar Schlatter Wirths sel Söhne" als sogenannte Trager verzeichnet. Sie hatten bei den diversen Zinspflichtigen des Gutes den vereinbarten Zins einzusammeln und jährlich auf Martini nach Wettingen zu tragen und im Kloster abzuliefern. Der Zinsanteil von Andreas Surber betrug 1798 "ein Mütt Kernen, zween Mütt Haber, Zürcher Mäss, zwey Hüener".

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