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Otelfingen, Thisis Hof, einst Ueli Heinis Höfli

2. Ein typisches Unterländer Vielzweckbauernhaus

Der im Urbar von 1798 beschriebene Hof von Andreas Surber und seine Annexbauten sind heute noch alle erhalten und in ihrer baulichen Substanz nicht sehr stark verändert; sie bilden somit ein weitgehend intaktes Hofensemble spätestens aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert.

Speicher von Nordost, 2002
Das Haus, heute als Thisis Haus bekannt, hat einen voluminösen längsrechteckigen und, wie in Otelfingen üblich, zur Strasse hin giebelständigen Baukörper. Das Gefälle des Geländes gegen Süden wurde abgefangen durch einen Mauersockel, der dem Haus seine hoch über dem Strassenniveau thronende Lage verschafft. Unter dem durchgehenden Satteldach mit Krüppelwalm im Westen sind die drei Bauteile Wohnhaus in Fachwerkbau, Scheune und Stall zusammengefasst. Nördlich an das Wohnhaus angebaut war ein Schweinestall, der 2001 in einen Heizungsraum umgebaut wurde. Der Zugang zum Wohnteil erfolgte ehemals wohl traufseitig vom Süden her, über eine steile Treppe, die von der Strasse auf das Niveau des Hauses hinaufführt, und von da über eine zweiläufige Treppe ins Haus. Stall und Tenne, letztere mit einem alten, bemerkenswert schönen Tenntor mit Rautenmusterung, wurden von der Nordseite erschlossen.

Es ist ein für das Zürcher Unterland typisches Bauernhaus, einer Region, in der früher vor allem Getreide angebaut wurde. Der dreiteilige Bau war optimal auf die mit dem Getreideanbau verbundenen Arbeitsprozesse ausgerichtet, indem die Tenne, in der das Getreide witterungsunabhängig gedroschen werden konnte, zwischen Wohnhaus und Stall eingeschoben und von einem gemeinsamen Dach überdeckt wurde.

Wekstatt im Speicher, 2002
Das hohe Dach ergab sich durch die Nutzung des Dachbodens über dem Wohnteil für die Trocknung und Lagerung des Getreides; der Raum musste geräumig und hoch genug sein für das regelmässige Umschütten des Lagergutes, weshalb man ihn auch "Schütti" nannte. Damit die für die Austrocknung notwendige frische Luft ständig zirkulieren konnte, wurde der untere Teil der Dachsparren aufgeschiftet, wodurch unter dem Dach kleine Luken für die dauernde Luftzufuhr entstanden. Diese ebenso einfache wie effiziente Konstruktion ist die Ursache der leicht gebrochenen Dachfläche, welche so auch beliebig weit über die seitliche Hausmauer hinausgezogen werden konnte. Weil die Verwendung des Dachraums als Schütti die Nutzung als Schlafkammern für Dienstboten ausschloss, erübrigte sich der Einbau von Dachfenstern oder Dachaufbauten.

Das grosse fensterlose Dach ist somit charakteristisch für das "Getreidebauernhaus"; in Otelfingen prägt diese Dachart die Dachlandschaft im alten Dorfkern. Kommen hier Dachaufbauten vor, kann man davon ausgehen, dass sie in neuerer Zeit hinzugefügt worden sind.

Wie bereits erwähnt, wurde Thisis Haus im Laufe der Zeit baulich relativ wenig verändert. Die augenfälligste Veränderung, die zwischenzeitlich verputzten Riegel der Ostfassade, wurden anlässlich einer Aussenrenovation 1965 wieder freigelegt, was dem Haus seine weithin sichtbare dekorative Wirkung im Verbund mit der bedeutendsten Baugruppe des Dorfes, Mühle, Brauerei und dem mächtigen Bauernhof vis-à-vis der Mühle, wieder zurückgab.

Westlich vom Hof steht der Speicher mit südlich angebauter Trotte, beides in Riegelbauweise. Darunter, erreichbar über einen gewölbten Kellerhals, liegt der tonnengewölbte Weinkeller, auf dessen Türsturz die Jahrzahl 1755 und die Buchstaben HS und HRS eingemeisselt sind, die Initialen der Geschwister Heinrich und Hansrudolf Surber und deren Familienwappen. Dieser ganze Oekonomieteil ist also noch vor dem Um-oder Neubau von Ueli Heinis Höfli entstanden.

Waschhaus von Südwest, 2001
Die Kombination von Speicher mit Trotte und Weinkeller ist in Otelfingen nicht selten und belegt die Rolle des Weinbaus als wichtige zusätzliche Einnahmequelle der damaligen Bauern. Im Inneren des Speichers mit seinem Sammelsurium alter Gerätschaften scheint die Zeit stillgestanden zu sein. Interessantes Detail sind die auf der Ostseite auf Höhe des Laubenbodens für den Einsatz von Bienenkörben ausgeschlagenen Löcher, die von der innern Treppe aus gewartet werden konnten.

Das Zwischendach zwischen Speicher und Hof wurde erst 1968 vom heutigen Besitzer für die Unterstellung von Geräten angebracht, während das freistehende Waschhaus aus Natursteinmauern nördlich des Hauses zum Altbestand gehört und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts für die Wäsche und auch als Badezimmer benutzt wurde. Zeitweise war ein Wagenschopf angebaut gewesen, der aber bereits 1861 wieder abgebrochen wurde. Heute dient das alte Waschhaus als Garage.

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