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Otelfingen, Reformierte Kirche

4. Um-und Einbauten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts

Die Innen-und Aussenrenovation von 1842/43

14. Kirche nach 1842/43, Skizze
Nach einer Routinevisitation der Kirche Otelfingen rügte die Bezirkskirchenpflege 1835 den „wirklich gefährlichen“ Eingang in den Kirchhof und den „schändlich vernachlässigten Zustand“ des Kirchengebäudes. Nach einem weiteren Kontrollbesuch empörte sie sich am 3. August 1837 darüber, dass „nicht nur der vorige abstossende Anblick“ der Kirche sich immer noch darbot, sondern das „alte, baufällige, noch älter, baufälliger geworden“. Sie ortete „Gleichgültigkeit gegen den kirchlichen Anstand und Mangel an gutem Willen“ und hoffte, dass sich bald „in dem wohlhabenden und begüterten Otelfingen das Kirchengebäude seiner armen Gestalt und Aussehens nicht schämen müsse“.
In der Tat waren aber die kirchlichen und politischen Behörden von Otelfingen und Boppelsen schon am 8. August 1835 nach der ersten Rüge aktiv geworden: Sie waren sich nur uneins, ob das Kirchengebäude lediglich repariert, was die ärmere Gemeinde Boppelsen vertrat, oder aber gemäss Ansicht der Otelfinger auch gleich vergrössert und verschönert werden sollte. Deshalb wurde Baumeister Volkart aus Niederglatt für eine Expertise über den Zustand des Baues und eine ungefähre Kostenschätzung beigezogen, die am 19. Januar 1836 vorlag. Volkart verwarf eine Gebäudeerweiterung, schlug aber in 26 Artikeln bedeutende Veränderungen am Turm, am Kirchengebäude und an den Kirchhofmauern vor, für die er die stolze Summe von 6068 Gulden veranschlagte. Die erschrockenen Kirchen- und Gemeindevorsteher zerpflückten am 23. Februar 1836 Volkarts Vorschläge, um am Ende festzustellen, „wie ungemein schwierig, ja geradezu unmöglich es sei, über Sachen abzusprechen, die man nicht gehörig kennt und versteht“. Am 1. Mai 1836 fiel der Grundsatzentscheid für eine durchgreifende Ausbesserung von Kirchturm und Kirchhofmauern und für eine „in- und auswendige Renovation“ des Kirchengebäudes. Darüber hinaus sollte gegen Westen eine neue Vorhalle angebaut werden. Dieser mit einem flammenden Appell vorgelegte Entscheid wurde am 12. Juli 1836 vom Volk abgesegnet.Damit war der Weg zur ersten grossen Umbauphase seit 1667 geebnet.

15. Grundriss 1932/38, TAD
Nach sehr vielen Diskussionen wurden am 13. März 1840 endlich die notwendigen Sanierungsmassnahmen im Detail vorgestellt, mit der ausdrücklichen Option für eventuelle Änderungen: Wegen Wurmfrasses, durchfaulter Balken und zahlreicher Reparaturen früherer Zeiten war der Dachstuhl instabil und musste mitsamt Dachboden völlig ersetzt werden.
Am Kirchturm waren Mauerwerk, Gesimse, Schallöcher, Zifferblätter und Dach zu verbessern und ein frischer Anstrich anzubringen. Zum Haupteingang der Kirche sollte von der Dorfstrasse her eine neue steinerne Treppe gebaut werden; die steinernen Gewände des Hauptportals, das eine neue Tür bekommen sollte, waren auszubessern. Betreffend Seiteneingang südlich des Langhauses, den die Kirchgenossen aus Boppelsen sowie die Hälfte der Otelfinger, entsprechend der Sitzordnung zu benützen hatten, schlug man entweder ein neues Portal mit steinernem Vordächlein „nach heutzutägigem Geschmack“ oder Beibehaltung und Reparatur des bisherigen kleinen Vorgebäudes aus Holz vor. Ebenso zur Diskussion stand der bisherige äussere Zugang zur Empore. Auch war man sich uneins, ob die Decke, die im Zusammenhang mit dem neuen Dachstuhl und Dachboden neu gemacht werden musste, aus Gips oder Holz sein sollte. Im Innern plante man eine neue Bestuhlung mit Rückenlehnen allerdings unter Weiterverwendung noch brauchbarer Bänke. Die Gänge sollten, wo nötig, mit „gebrannten Steinen“ ausgebessert werden.
Da sich im Laufe der Zeit offenbar die Unsitte eingebürgert hatte, auf dem Kirchenestrich Wäsche aufzuhängen, sollte der Zugang zum Turm verunmöglicht werden und stattdessen vom Kanzellettner aus eine Treppe in das erste Turmgeschoss geführt werden. Auf besonderen Wunsch des Pfarrers, der sich wohl davon eine bessere Akustik versprach, sollte das Gitterwerk der Emporenbrüstung zu einer glatten Fläche vergipst werden.

Am 22. März 1840 wurde die Vorlage zur Kirchenrenovation angenommen. Der Baubeginn wurde auf Frühjahr 1841 angesetzt, wurde dann aber um ein Jahr verschoben, denn erst im Juni 1842 wurde geregelt, wo der Gottesdienst während der Bauarbeiten stattfinden sollte.

16. Taufstein von 1843
Für eine Gesellschaft, die noch vor der Epoche der Taschen- und Armbanduhren lebte, ergab sich zusätzlicher Regelungsbedarf durch die renovationsbedingte Entfernung der Turmuhr, denn eine „Pfarrgemeinde ohne Turmuhr ist einem Regimente ohne Führer zu vergleichen, d.h. der Gegenstand gräulicher Verwirrung“. Pfarrer Germann entlieh sich deshalb im August 1842 bei Uhrenmacher Baron in Zürich eine „ausgezeichnete gute Cilinderuhr“. Während eines Jahres war er „täglich und ängstlich“ dafür besorgt, dass das Mittagsläuten genau nach dieser Referenzuhr erfolgte und ermahnte sein Kirchenvolk von der Kanzel herab, die Stubenuhren nach dem Mittagsläuten zu richten, damit es seine Termine pünktlich wahrnehmen konnte.

Als Bauunternehmer für die Renovation wurden Steinhauer Hotz von Rüschlikon und Zimmermeister Matthias Müller von Lauterbad, Kgr. Würtemberg, verpflichtet, als Arbeiter Maurermeister Weber von Maur, Klempner Carl Zehnder von Neuheim/ZG, und von Otelfingen Zimmermeister Hans Heinrich Schlatter, Kupferschmied Jakob Schlatter und Tischler Heinrich Schibli Heichels.

Wäre die Renovation gemäss diesen Vorgaben ausgeführt worden, hätte sie kaum nennenswerte Auswirkungen auf das innere oder äussere Erscheinungsbild der Kirche gehabt. Es waren die nachträglich beschlossenen Projektänderungen, die der Kirche dann doch ein neues Gesicht gaben.

17. Schnitt Turmhelm 1935, TAD
Der neue Turmhelm war den beiden neugotischen Türmen des Grossmünsters nachempfunden, entsprechend den vorhandenen Mitteln aber ohne deren aufwendige Gestaltung. Auch war er nicht auf eine Plattform gestellt, sondern vier Wimperge kaschierten den Übergang von der quadratischen Basis des Turmes zum Sechseck des gestelzten polygonalen Tambours, auf dem die Zitronenkuppel ruht. Der Turmhelm war ursprünglich mit Blechplatten belegt und mit grauer Steinfarbe gestrichen. Während für die Grossmünstertürme von Anfang an trotz beträchtlicher Mehrkosten als Deckmaterial Kupferblech eingesetzt wurde, führte das in Otelfingen gewählte korrosionsanfällige Material bereits 1851 zu ersten Schäden infolge Rostfrasses. Das Problem war nicht in den Griff zu bekommen, weder durch Teilreparaturen noch durch die bereits 1861 vorgenommene komplette Erneuerung des Eisenbleches und mehrfacher Grundierung mit Menning. Das vom Turm her eindringende Wasser verursachte massive Schäden an Balken und Mauern, die am 17. Januar 1867 dazu führten, dass ein Teil der Gipsdecke über den Vorsteherstühlen und der Kanzel „unter grossem Getöse“ herunterfiel; weil gerade Montag war, kamen glücklicherweise keine Leute zu Schaden. Eine definitive Lösung brachte erst die Belegung des Daches mit Kupferschindeln im Jahre 1908, wodurch der Turmhelm auch farblich sein heutiges Aussehen erhielt.

Die auffälligste Änderung bewirkte der Entscheid des Stimmvolkes vom 5. Juli 1842, dass das Käsbissen-Dach des Turms abgebrochen und ein neues Dach in Form einer Kuppel nach der Zeichnung des Otelfinger Zimmermeisters Heinrich Schlatter aufgeführt werden sollte. Der Bauvertrag für das neue Dach wurde unverzüglich mit Heinrich Schlatter für 628 Gulden und 16 Batzen abgeschlossen. Gegen einen weiteren Aufpreis liess Heinrich Schlatter am 19. Dezember 1842, als der neue Turmhelm bereits aufgerichtet war, eine Krone statt der ursprünglich vorgesehenen Kugel machen.

Die zweite namhafte Änderung ergab sich durch den Verzicht auf die vorgesehene neue Vorhalle. Stattdessen wurde wohl jetzt, passend zum neugotischen Turm, das Hauptportal mit seinem doppeltgekehlten Spitzbogengewände zusätzlich akzentuiert durch einen plastisch hervortretenden gotisierenden Rahmen aus zwei flankierenden Säulen mit Fialen und einem Dreieckgiebel darüber.

18. Blick gegen Empore, vor 1946
Auch im Kircheninnern wurde der ursprüngliche Raumcharakter stark verändert, zum einen durch den Entscheid, die neue Decke in Gips und nicht mehr in Holz auszuführen und zum andern durch den Einbau einer „neuen, festen Emporkirche“. Diese war höher gesetzt als die alte, elegant nach hinten geschwungen und anfänglich ohne Stützen. Wie Wände und Decke war sie weiss gestrichen , sodass der Raum wesentlich heller und grosszügiger wirkte als bisher.
Der konkave Schwung der Empore war allerdings die Folge eine Fehlberechnung. Die Empore hatte zuerst eine geradlinige Brüstung gehabt, die zur Verankerung mit einem festen Kranzwerk längs der Brüstung und einem feineren in halber Höhe versehen war. Nach der Fertigstellung entdeckte man, dass, weil die Empore höher lag als bisher, der Blick auf den Taufstein verbaut war. Man entschloss sich, das Kranzwerk ganz zu entfernen, die Emporenbrüstung abzubrechen und in Form „eines Zirkelausschnittes“ wieder aufzuführen.
Allerdings schien die Kirchenbehörde der Tragfähigkeit dieser Konstruktion nicht ganz zu trauen, denn bereits auf die Einweihung der Kirche am 1. Oktober 1843 beschloss sie gegen den Protest des Emporenbauers, vier provisorische mit Blumenfestons dekorierte Säulen zu unterstellen. Diese Vorsicht erwies sich im nachhinein durchaus als begründet, denn die stützenlose Empore begann sich im Laufe der nächsten Jahre von der Mauer, in die sie seitlich verankert war, zu lösen und gegen ihre Mitte zu senken. Man beschloss die Abstützung der Emporen durch zwei Gusseisensäulen; als aber als günstigere Variante eine Aufhängung der Empore am neuen Dachstuhl mit zwei Eisenstangen empfohlen wurde, zog man den bekannten Zürcher Architekten Ferdinand Stadler als Schiedsrichter bei, da niemand das „freundliche Gotteshaus“ verschandeln wollte. Stadler empfahl „Säulen aus gesundem Eichenholz von schlanker, noblen Form, welche, da alles in der Kirche reinweiss ist, ebenfalls mit weisser Oelfarbe angestrichen werden solle“. Mit diesen zwei weissen Säulen blieb die Empore bis 1946 bestehen.

19. Kanzelentwurf, wohl 1842
Während also die Westpartie des Kircheninnern ein neues Gesicht erhielt, blieb der Chor wohl weitgehend unverändert. Die im Kirchgemeindearchiv vorhandene Skizze eines neugotischen Kanzellettners lässt vermuten, dass man zwar an eine neue Kanzel dachte, diese dann aber nicht ausführen liess. Hingegen erhielt die Kirche einen neuen Taufstein aus Sandstein, ein Geschenk vom damaligen Pfarrer Germann zur Einweihung von 1843. Er hat die Form eines Kelchs mit plastischem Blattzungendekor an der Cuppa und einem Inschriftband darüber; ein kannelierter Säulenstumpf bildet den Fuss. Bis 1946 stand er vorn im Schiff, seither vor dem Leichenhaus auf dem Friedhof.

Der Orgeleinbau von 1892/93

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeichnen die Quellen ganz allgemein den Wunsch nach mehr Komfort in der Kirche und nach einem Gottesdienst mit musikalischer Umrahmung auf. Am 30. November 1884 wurde beschlossen, zwei Öfen für die Kirche anzuschaffen, samt Ofenrohren, Bodenplatten und Kohlekessel, „da mit einer Heizung auch ältere Leute den Gottesdienst besuchen könnten und Kinder mit weitem Schulweg ein warmes Lokal für die Kinderlehren vorfänden“. Sie wurden an den Langhausseiten unmittelbar nach dem zweiten Kirchenfenster gegen Westen eingebaut; mit langen Ofenrohren über die ganze Höhe des Schiffs.

20. Blick auf Chororgel von 1892
Seit 1875 verfügte die Kirche über ein Harmonium, das allerdings schon vier Jahre später reparaturbedürftig war.(79) Vielleicht deshalb dachte man daran, eine Orgel für die Kirche anzuschaffen. Der als Experte beigezogene Paul Hindermann, Organist am Grossmünster, schlug am 6. Oktober 1892 als Standort der Orgel die Nordwestecke der Empore vor und empfahl Orgelbauer Kuhn in Männedorf.(80) Am 17. Oktober 1892 wandte man sich auf Anraten von Kuhn an das für seine Kirchenbauten bekannte Architekturbüro Kehrer und Knell(81) in Zürich mit der Bitte um Skizze und Kostenvoranschlag für eine neue Kanzel und Orgel.(82) Kehrer verwarf nach einem Augenschein den asymmetrischen Standort auf der Empore und empfahl stattdessen, die Orgel in den Chor zu stellen „wo jetzt die Kanzel ist“. Am 12. Dezember legte er eine Skizze betreffend Platzierung der Orgel, „wonach ein Theil derselbe vor, ein Theil unter und ein Theil hinter den Chorbogen käme“; am 30 Dezember folgte die Skizze für die Kanzel.
Am 15. Januar 1893 entschied man sich für eine Chororgel, den Abbruch der alten Kanzel (83) und den Bau einer neuen Kanzel beim Ostfenster der Nordseite für den Totalpreis gemäss Voranschlag von Fr. 5350.
Die vom verantwortlichen Orgelbauer Kuhn in Männedorf vorgelegten Orgelprospektsentwürfe fanden keinen Gefallen, weshalb Kehrer und Knell beauftragt wurden, einen neuen Prospekt in der Art ihres Kanzelentwurfs zu zeichnen. Die Skizze der Kanzel schickte man zu Altarbauer Josef Eigenmann (1852-1931)(84) in Luzern mit der Bitte um eine Offerte für die Ausführung in Tannenholz; die fiel dann allerdings anderthalbmal so hoch aus wie von Kehrer und Knell veranschlagt. Man erbat sich deshalb die Skizze zurück und übergab den Auftrag einem Schreiner im Kanton Zürich, Herrn Ammann-Bodmer, der die Kanzel von Tannenholz, die Deckleisten aus Eichenholz, ohne Anstrich und ohne Postamentstein, aber mit Schalldeckel für Fr. 440 zu machen versprach. Der Kanzelsockel wurde für Fr. 6 nach einem Modell des Schreiners aus Zement hergestellt.
Wer den von Kehrer und Knell entworfenen Orgelprospekt realisierte, ob Eigenmann oder Amman-Bodmer, ist nicht belegt.

Die neue Orgel, gemäss Expertenbericht ein vorzüglich gelungenes Werk, wurde an Pfingsten 1893 eingeweiht; sie zählte 8 klingende Register, wovon sich 5 auf das erste Manual, 2 auf das zweite Manual und fünf auf das Pedal verteilten.

Durch den Einbau der Chororgel erhielt die Kirche die Raumwirkung einer Saalkirche, indem die Sicht in den Chor durch das Instrument völlig abgedeckt war. Nach alten Fotos und Planaufnahmen zu urteilen gelang es den federführenden Architekten Kehrer und Knell optimal, die in neugotischem Stil gehaltene Orgel und Kanzel mit den bestehenden Teilen der Ausstattung und des Baues zu einem harmonisch wirkenden Ganzen zusammenzufügen.

Die neugotischen Fenster von 1902

Im Dezember 1898 fand der Kirchenvorstand es an der Zeit, auf dem alten Kirchhof bei der Kirche, der seit der 1873 erfolgten Anlage des neuen Friedhofs im Rötler nicht mehr benützt wurde, eine etwas bessere Ordnung zu schaffen, und bereits im April 1899 lagen erste Vorschläge zur Gartengestaltung vor; es gab aber auch Stimmen, die das Geld lieber für das Innere der Kirche, z.B. für den Ersatz der wohl erneuerungsbedürftigen Kirchenfenster verwendet sehen wollten.

21. Fenster v. Huber-Stutz v. 1902, 1968
Am 15. Juli 1902 lagen bereits einige Skizzen für neue Fenster vor und am 3. Oktober wurden sie im schweiz. Baublatt ausgeschrieben. Gemäss dem Zeitgeschmack mit seiner Freude am Ornament wurden Fenster mit dekorativer Malerei gewünscht, mit 12 cm breiten Bordüren und in den Spitzbogen „Ornamentsverziehrungen in gothischem Styl“. Die kleinen Fenster auf der Empore sollten bloss Bordüren erhalten, die Rosette sowie die Ausschnitte beim Haupteingang „in einer den Fenstern entsprechenden Weise“ verziert werden. Das durch die Orgel verdeckte Chorfenster erhielt neue Scheiben in „einfacher Ausstattung“. Sie sollten aus länglichen Sechsecken bestehen, bei den Querstäben hingegen aus je einer Reihe Rauten. Die Arbeit wurde am 20 Oktober 1902 dem Zürcher Glasmaler Heinrich Huber-Stutz (1861-1909) übertragen; sie waren bereits am 7. Dezember 1902 an Ort und erhielten „allgemeine Zustimmung“. Zeitgenossen beschreiben sie von satt leuchtender Farbigkeit in der Art gotischer Glasfenster. Die Fenster von Huber-Stutz wurden vom Brand 1968 stark in Mitleidenschaft gezogen und daher entfernt; ein einziges Teilstück mit drei Sechseckreihen, eingefasst und unterteilt von Rautenreihen, hat sich auf dem Kirchenestrich erhalten.

Die Dekormalerei von 1913

Am 22. April 1913 diskutierte die Kirchenpflege die notwendige Weisselung des Kircheninnern und schon am 6. Juli 1913 genehmigte das Kirchenvolk den Antrag für einen neuen Oelfarbenanstrich mit der Auflage, den Maler einfache Verzierungen längs dem Brusttäfer und der Deckenprofile sowie die Anbringung von Sprüchen auf den Langhauswänden offerieren zu lassen.

22. Chororgel 1892, Dekormalerei 1913
Am 10. August 1913 erhielt Maler Adolf Schlatter in Regensdorf den Zuschlag. Im Laufe mehrerer Sitzungen und nach Begutachtung zahlreicher Entwürfe Schlatters wählte die Behörde für die Wände ein leichtes Hellgelb, für die Decke innerhalb des Stuckkranzes hellblau. Die weissbleibende Mauer des Chores wünschte sie durch ein schmales Ornamentband „nach byzantinischem Stil“ von den gelbgetönten Seitenflächen abgegrenzt und über dem Orgelprospekt sollte ein Schriftband mit der Inschrift „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ und ein darüber schwebender Stern angebracht werden. Rund um die Fensterausschnitte entlang des Deckenansatzes und des Stuckkranzes wurden ebenfalls Ornamentfriese angebracht; im Zentrum der Decke befand sich eine Rosette im Rokokostil.

Jugendstilleuchter und Turmuhr von 1914

Am 5. Juli 1914 stimmte das Kirchenvolk sowohl der Einführung des elektrischen Lichtes in der Kirche wie auch der Anschaffung einer neuen Turmuhr zu, die bei Uhrenmacher Mäder in Andelfingen bestellt, aber dann wegen Ausbruchs des Weltkriegs vorübergehend sistiert wurde.
Nach erfolgter Elektrifizierung wurde am 1. Oktober 1914 bei BAG Turgi für die Beleuchtung ein grosser vergoldeten Kranzleuchter von einem Meter Durchmesser mit matter Schale in der Mitte und 6 Mattglaskugeln aussen herum bestellt und über dem Taufstein aufgehängt, eine prächtige Jugendstilarbeit, während an der Emporendecke und unter der Empore je zwei Deckenlampen und eine Orgelbeleuchtung mit beweglichem Reflektor installiert wurden.

Treppenanlage von 1920

23. Treppenanlage, Entwurf v. J. Mallaun
Wegen der dringenden Notwendigkeit, das Kirchenportal und die dazuführenden „unmöglich gewordenen Sandsteinstufen“ einer „zweckmässigen und geschmackvollen Reparatur zu unterziehen“ wurde am 4. August 1919 der Regensberger Baumeister J.Mallaun für ein Gutachten beigezogen. Mallaun trat beim ersten Augenschein mit „aller Entschiedenheit“ für den Vorschlag ein, statt einer blossen Reparatur die beiden kleinen gotischen Pfeiler neben der Tür und die beiden Farbscheibchen darüber zu entfernen und einen neuen Vorbau zu errichten, der dem „würdigen Aussehen der Kirche jedenfalls nicht schaden würde“. Am 2. September 1919 lieferte er die gewünschten Entwurfszeichnungen, mit denen er eine ganz neue zum Hauptportal führende Treppenanlage vorschlug, einmal mit einem neuen Portalvorbau, einmal mit dem bestehenden Portal. Wegen der Enge des Raumes und wegen der zu erwartenden höheren Kosten riet er nun allerdings von der Erstellung eines Vorbaus ab und votierte lediglich für die Befestigung und Verankerung der gotischen Seitenpfeiler mit dem Mauerwerk durch eine Eisenkonstruktion. Die beiden Sandsteinpfosten am Ende der Umfassungsmauer wollte er abbrechen und „zur gefälligen Abänderung der Mauer“ zwei steinerne Vasen an deren Stelle setzen. Die Treppe, ganz neu aus Naturgranit zu erstellen, sollte sich als kurze Freitreppe über die Mauer hinaus verbreitern und kreissegmentförmig auf der Strasse ausschwingen. Er riet der Kirchgemeinde zu einem raschen Auftrag, weil „inzwischen die Preise wegen Verkürzung der Arbeitszeit sich steigern“. Die Kirchgemeindeversammlung stimmte am 14. September 1919 „nicht ohne Opposition“ zu. Die neue Treppenanlage wurde indessen bald als Rahmen für Fototermine aller Art genutzt.

24. Mallaun's Treppe mit Männerchor
Damit war die bedeutende zweite Phase der Um-und Einbauten beendet, in der die Kirche Otelfingen ein durchaus zu ihrer spätgotischen Architektur passendes, mehrheitlich neugotisch geprägtes Gesicht erhalten hatte. Bis auf den charakteristischen neugotischen Turmhelm, der zum unverwechselbaren Wahrzeichen von Otelfingen geworden ist, und dem spitzbogigen Portalgiebelfeld mit den farbigen Fenstereinsätzen im Holzmasswerk von Glasmaler Huber-Hotz wurden Mitte des 20. Jahrhundert in einer dritten Phase alle neugotischen Ausstattungs-und Gestaltungselemente aus der Kirche Otelfingen entfernt und mehrheitlich wohl zerstört.

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