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Otelfingen, Pfarrhaus

2. Arbeitsbedingungen des Pfarrers in Otelfingen

Ansicht von Nordost, 2002
Die Besoldung, die der Otelfinger Pfarrer vom Wettinger Kloster erhielt, war eher klein; berechnet war sie ursprünglich für einen zölibatären katholischen Priester und nicht für eine reformierte Pfarrfamilie. In den mit der Züricher Regierung zäh ausgehandelten Pfrunderhöhungen zeigte sich das Kloster Wettingen äusserst zurückhaltend; auch kam es seinen Zahlverpflichtungen gelegentlich nur teilweise oder gar nicht nach.. Im Laufe der Zeit verbesserte sich das Einkommen des Otelfinger Pfarrer durch zusätzliche Einkünfte zur Grundbesoldung aus Wettingen: So erhielt er 1790 vom Fraumünsteramt Zürich 8 Saum Wein, von Otelfingen und Boppelsen 14 Saum Zehntwein ab 12 Jucharten Reben und 8 Mütt Kernen, 9 ¼ Mütt Kernen und 25 Pfund 14 Schillinge aus Grundzinsen, 1 ½ Mütt Kernen aus dem Würenloser Kirchengut, 100 Burden Stroh vom Spital Baden sowie das nötige Brennholz von der Gemeinde Otelfingen. Zudem stand ihm etwas Landwirtschaftsland zur Selbstbewirtschaftung zur Verfügung.

Gemäss Erhebung von 1764 gehörten eine Jucharte Acker, eine Jucharte Rebland und drei Mannwerk Wiesen zum Pfrundbesitz, der damals einen Haushalt von immerhin zehn Personen miternähren sollte, nämlich den Pfarrer als Hausvater, einen Sohn über 16 und drei Söhne unter 16 Jahren, die Pfarrfrau, eine Tochter über 16 und zwei Töchter unter 16 und eine Magd. 1828 beklagte Pfarrer Germann die schlechte Qualität der Jucharte Ackerland, die "so durchaus unbrauchbar und weit entfernt zwischen Waldung gelegen, das dieselbe mehr als 50 Jahren unbenützt liegen blieb".

Ansicht von Südost, 2001
Seit 1803 gingen die Zehnten, die vordem als Naturalleistung an die Geistlichen fielen, an den Staat, der dafür ein entsprechendes Fixum ausrichtete. Vom Kloster Wettingen erhielt der Otelfinger Pfarrer seine Besoldung erst seit 1833 ausschliesslich in Geld, nämlich Fr. 1450.-/Jahr. Im Gegenzug wurden die "sieben Stuck" Wiesen, Acker und Reben, die noch 1833 als Pfrundbesitz zur Kollatur gehört hatten, im Jahr darauf verkauft. Noch im Klosterbesitz verblieb der Baumgarten mit Speicher, Gartenhaus und Bienenstand, der mit vielen verschiedenen fruchtragenden Bäumen besetzt war und für dessen Nutzung Pfarrer Germann dem Gotteshaus nun 10Fr. Zins zu zahlen hatte. Erst seit 1838, nach der Ablösung der Kollatur vom Kloster Wettingen, lag die Besoldung des Pfarrers vollumfänglich in der Kompetenz des Kantons Zürich.

Über das Arbeitspensum eines Pfarrers in Otelfingen sind wir vor allem orientiert durch die Korrespondenz von Pfarrrer Germann (1767-1862). 1828 bezeichnete er seine Pfarrei als eine der "geschäft-und mühevollsten unseres Cantons" und besoldungsmässig nur "sehr bäuerlich ausgestattet". Zwar stand ihm seit 1815 für die Hälfte der Kanzelverrichtungen vierzehntäglich ein Hilfspfarrer zur Verfügung, doch die seelsorgerische Tätigkeit in sechs Zivilgemeinden mit einer Bevölkerung von 1500-1600 Seelen, wovon 1381 Reformierte, und seine Pflichten in den sechs Alltags- und sechs Repetierschulen wie auch die administrativen Arbeiten, die sowohl für die Kantonsregierung in Zürich wie für die in Aarau zu erledigen waren, belasteten sein Arbeitspensum über alle Massen.

Abendmahlkannen von 1766, Pfarrhaus
Noch im 19. Jahrhundert war demnach der Otelfinger Pfarrer nicht nur für seine Pfarrgemeinde Otelfingen/Boppelsen zuständig, sondern gemäss der seit der Reformation gültigen Regelung auch für die Würenloser Reformierten sowie diejenigen von Hüttikon, Oetwil, und Oetlikon. Gemäss Germanns Ausführungen hatte Otelfingen bis 1799 immer einen "vollständigen Gottesdienst" mit einer sonntäglichen Predigt und Kinderlehre nebst zwei Wochenpredigten. Die Würenloser hingegen hatten sich an einem Sonntag mit einer Predigt, am andern mit einer Kinderlehre zu begnügen, sodass die dortigen Reformierten jeden zweiten Sonntag die Kirche von Otelfingen besuchen mussten, was sie als Diskriminierung empfanden und deshalb Gleichstellung mit den Otelfingen verlangten. 1802 wurde laut Germann deshalb der Kompromiss ausgehandelt, dass der Otelfinger Pfarrer abwechslungsweise an einem Sonntag zwei Predigten und eine Kinderlehre in Otelfingen und am andern Sonntag je eine Predigt und je eine Kinderlehre in Otelfingen wie in Würenlos zu halten hatte; zum kirchlichen Pensum kam dann zweimal der halbstündige Weg in die Filiale Würenlos hinzu. An hohen Festtagen erhöhte sich die Anzahl der Predigten gar auf vier. Germann klagte, wegen dieser intensiven Beanspruchung den Weg in die Filiale in Würenlos nicht zu Fuss machen zu können, weil er insbesondere im Winter vor Einbruch der Nacht "mit seinen Geschäften nicht zu Rande kommen könnte". Er meinte, dass deshalb alle Pfarrer vor ihm ein Pferd gehabt hätten, während er, des Reitens unkundig, nebst dem Pferd auch eine kostspielige Chaise zu halten gezwungen war.

Ob allerdings wirklich alle seine Vorgänger ein Pferd besassen, darf bezweifelt werden; gemäss Statistik von 1764 besass der damalige Pfarrer von Otelfingen gerade mal 6 Hühner. Da zum Pfarrhaus, wie noch auszuführen sein wird, auch ein Schweinestall gehörte, dürfte der Speisezettel des Pfarrers manchmal auch durch Schinken aus eigener Produktion angereichert worden sein. Zur Selbstversorgung des Pfarrhaushalts gehörte wohl immer etwas Nutzvieh.

Das Pfarrhaus hatte von Anfang an also ganz unterschiedlichen Anforderungen zu genügen. Es musste dem Rang des Pfarrers als wichtiger Person des öffentlichen Lebens angemessen sein; für die Erfüllung der pfarrherrlichen Aufgaben musste ein Büro und Besprechungszimmer zur Verfügung stehen. Daneben war das Pfarrhaus die private Wohnung der Pfarrfamilie. Für die Lagerung der Naturalgüter waren geeignete Räume und Keller erforderlich, ebenso Stallungen für die Nutztiere und Geräteschuppen. Noch 1828 wurde das Pfarrhaus von Pfarrer Germann ausdrücklich als "bequeme und sehr wohleingerichtete Pfarrwohnung, deren Annehmlichkeit ich dankbar zu schätzen weiss", bezeichnet.

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