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Otelfingen, Mühle

3. 1962-1968: Gefährdung der Mühle

Während der Periode des Niedergangs des Mühlebetriebes waren wohl nur die dringendsten Reparaturen an den altehrwürdigen Gebäuden vorgenommen worden. Bei Betriebseinstellung 1961 waren die Spuren des Zerfalls an der ganzen Baugruppe unübersehbar.

Als 1963 die Erben des mittlerweile verstorbenen Müllers Jakob Schlatter die Mühle dem Kanton Zürich zum Kauf anboten, war dies für die Behörden verschiedener Stufen der Anstoss, sich mit der Frage nach der Bedeutung dieses Hauses als Baudenkmal und seiner Schutzwürdigkeit auseinanderzusetzen.

12. Mühle von Norden, 1968
In seiner Stellungnahme zur entsprechenden Anfrage der kantonalen Finanzdirektion Zürich unterstützte der Gemeinderat Otelfingen am 26.7.1963 einen Ankauf der Mühle durch die öffentliche Hand, oder zumindest deren Vorkaufs- und Mitspracherecht daran, weil ohne diesen "Kernpunkt des alten Dorfzentrums" das Bild der ganzen Häusergruppe darum herum vollständig zerstört würde und er war auch bereit, dafür einen Beitrag zu leisten. Für den ehemaligen Mahlraum konnte er sich eine Nutzung als "Heimatmuseum, Feuerwehrlokal, Magazin oder Remise für gemeindeeigene Fahrzeuge" vorstellen; für den Wohnteil waren bereits Wohninteressenten bekannt.

Der Kauf durch den Kanton sollte aber nicht zustanden kommen. Nicht nur konnte man sich mit den Besitzern nicht über den Kaufpreis einigen, der Zustand des Hauses wurde als "im heutigen Zustand kaum benützbar" bezeichnet, so dass absehbar war, dass sich die Renovations- und Liegenschaftskosten durch die Vermietung kaum einbringen lassen würden. Überdies war auch die Frage nach der Nutzung immer noch unbeantwortet.

13. Mühle von Norden, 2000
Da anzunehmen war, dass nach dem Scheitern der Verkaufsgespräche die Mühlebesitzer nach anderen Kaufinteressenten suchen oder wohl auch den Abriss in Erwägung ziehen würden, liessen die kantonalen Behörden die Natur- und Heimatschutz-Kommission ein Gutachten über die Mühle ausarbeiten, das im Mai 1964 vorlag. Darin wird festgehalten, dass die Mühle mit ihren Anbauten und Nebengebäuden nicht nur die wertvollste Gebäudegruppe in Otelfingen ist und mit ihren Nachbarbauten einen der Schwerpunkte im Dorf bildet, sondern "für sich ein Kulturgut darstellt, dessen Wert über jeden Zweifel erhaben ist". Die Kommission war deshalb der Ansicht, dass "die Erhaltung der Alten Mühle aller Anstrengungen wert ist". Zwar war man sich auch der Problematik ihrer Nutzung bewusst, doch sollte zuerst der Fortbestand "unter allen Umständen sichergestellt" werden.

Die Gemeinde Otelfingen reagierte am 20.11.1964 auf dieses Gutachten mit prompter Unterschutzstellung des Mühlegebäudes unter Natur- und Heimatschutz; die äusserst baufälligen Nebenbauten blieben davon ausgenommen; allerdings sollte bei einem allfälligen Ersatz darauf geachtet werden, dass sie in ihren Massen und Architektur mit dem Mühlegebäude harmonieren sollten.

14. Ansichten von Westen, 1968
Am 1. September 1966 stellte Werner Schlatter durch Architekt Emil Oberegger, Kilchberg ZH, ein Baubewilligungsgesuch für Um- und Anbauten des Mühlegebäudes in der Absicht, ganz auf Landwirtschaft umzusatteln; schliesslich hatte ein Landwirtschaftsbetrieb seit jeher zur Mühle gehört und war auch nach Aufgabe der Müllerei weiterbetrieben worden. Geplant war im Erdgeschoss, also im Mahlraum, der Einbau eines Badezimmers mit WC sowie der Ausbau von Zimmern, im Obergeschoss zwei Wohnungen samt Bad und WC. Die beiden Schopfanbauten an der Ost- und an der Westfassade sollten abgebrochen, das sehr baufällige Radhaus wieder aufgebaut werden. Vorgesehen war zudem eine Renovation des Oekonomiegebäudes mit einer Sanierung der Stallungen.

Da die Denkmalpflege einen Teil der Renovationskosten übernehmen wollte, trafen sich am 2.11.1966 ihre damaligen Exponenten Walter Drack (Kt. Zürich) und Stadtbaumeister Keller aus Winterthur (Bundesexperte) mit dem Bauherrn und seinem Architekten zu einem Ortstermin; sie befanden, dass "nicht nur das Wohngebäude mit Remisen und Brunnen, sondern auch die in Kalkstein gemauerte Westseite des Stalles in die Restaurierung einbezogen werden sollte". Für den Eigentümer waren die Auflagen wohl nicht mehr zu erfüllen; nach weiteren Verhandlungen nahm er Abstand von seinen Bauplänen. Wie sein Architekt bekannt gab, plante er auf Ende 1967 seinen Landwirtschaftsbetrieb einzustellen und von Otelfingen wegzuziehen. Eine Restaurierung der Mühle, die er vermietete, kam damit für ihn nicht mehr in Frage. Damit war das Schicksal der ehemals stolzen Mühle ungewisser denn je. Ihre Schutzwürdigkeit war zwar allgemein unbestritten, aber über ihre zukünftige Zweckbestimmung und die Finanzierung der notwendigen Sanierung herrschte völlige Ratlosigkeit.

15. Grundriss mit baufälligen Anbauten (gelb)
Es war ein unerhörter Glücksfall für die Mühle und für das ganze Dorf, dass Jürg Gilly, ein damals in Spreitenbach wohnender Anwalt aus Zuoz, sich zu diesem Zeitpunkt für den Kauf der verwahrlosenden Gebäude zu interessieren begann. Bereits am 15. Juli 1968 wurde er als neuer Mühlebesitzer im Grundbuch eingetragen. Von Anfang an stand für ihn fest, dass der ganze historische Gebäudekomplex, also Mühle samt Nebengebäuden und Brunnen, erhalten bleiben mussten. Beim Mühlegebäude wollte er soweit möglich den ursprünglichen Zustand wiederherstellen und spätere Zutaten entfernen lassen. Er war der ideale Partner für die Denkmalpflege, die grundsätzlich die gleiche Auffassung vertrat.

Nach dem Auszug der Mieter stand die Mühle ab 15.9.1968 leer. Da sich nicht mehr alle Türen abschliessen liessen, verschwanden bis zur Aufnahme der Restaurierungsarbeiten im Oktober 1968 in dieser vergleichsweise kurzen Zeit nicht nur wertvolle Beschläge, sondern auch vereinzelte, in der Mühle verbliebene alte Möbel.

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