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Otelfingen, Mühle

4. Restaurierung der Mühle Otelfingen 1968/69

16. Mahlraum mit Estrade u. Mahlstühlen, 1963
Hauptgebäude
Wohl weil das Haus seit seiner Erbauung ununterbrochen gemäss seiner ursprünglichen Bestimmung als Mühle genutzt worden war, hatte man es weder aussen noch innen je gross verändert. Im Hinblick auf eine weitgehende Erhaltung der alten Substanz ging der neue Besitzer beim Umbau des Mühlegebäudes in ein Privathaus nur wenige Kompromisse ein. Die Restaurierung unter der Leitung von Architekt Dieter Boller, Baden, und seines Baumeisters Anton Sekinger, Würenlos, stand unter der Schirmherrschaft der Fachleute der kantonalen Denkmalpflege und des Zürcher Natur- und Heimatschutzes.

Die grösste Änderung erfuhr der Eingangsbereich zur Wohnung. Ursprünglich führte hier ehemals nur ein schmaler Korridor vom südlichen Westportal zu Küche, Stube und der Treppe zu den Räumen im Obergeschoss. Vis-à-vis vom Eingang öffnete sich zudem eine Tür auf eine kleine hölzerne Estrade, von der eine Treppe auf den damals vorhandenen Querteil des erweiterten Mahlstuhl führte. Dieselbe Estrade war auch über eine Tür von der Stube aus erreichbar. Sie diente wohl nicht nur als eine Art Kommandobrücke für den Müller, sondern war auch die schnellste Verbindung von der Stube in den Mahlraum.

17. Mahlraum mit Mahlstuhl und Estrade, 1968
Während man die Estrade entfernte und die Zugänge dazu verschloss und täferte, wurde die nördliche Korridorwand ausgebrochen und ein Boden bis zum nördlichen Westportal eingezogen. Von hier führte eine neue Treppe auf den heute noch stehenden Mahlstuhl hinunter; ebenso wurde gegen den Mahlraum hin eine neue Quermauer mit Fachwerk eingezogen. Eine zweite solche Mauer unterteilte den neu entstehenden Raum, der vorn als geräumiges Entrée mit Garderobe und WC, hinten als Durchgang und Vorraum zur Treppe in den Mahlraum genutzt wird. Für das Riegelwerk der neuen Wände wurden Trägerbalken des Stubenbodens wiederverwendet, die ersetzt werden mussten, weil sie durchgebogen waren; daher sind sie von der originalen Ausstattung kaum zu unterscheiden. Durch die Umbauten erfuhr der Mahlraum eine Verkürzung, ebenso der alte Mahlstuhl, der ursprünglich direkt an die Westmauer anstiess.

Der Mahlraum wurde befreit von der Mahlstuhlerweiterung des 20. Jahrhunderts auf der Westseite ebenso wie vom neuen Mahlstuhl auf der Ostseite. Deren Verbleib hätte eine wie auch immer geartete Nutzung des Raumes praktisch verunmöglicht. Beibehalten und frisch gedeckt wurde nur der älteste noch vorhandene Mahlstuhl von 1829 entlang der Nordmauer des Hauses mit den Resten der ältesten und älteren Mechanik darunter. Neu im Mahlraum ist der Kaminzug der anlässlich der Restaurierung eingebauten Oelheizung.

18. Alte Stubentür zur Estrade
Abgesehen vom Einbau von zwei Bädern im ersten Stock wurden keine weiteren nennenswerten Eingriffe in die ursprüngliche Raumaufteilung und Bausubstanz des Hauses gemacht; man beschränkte sich hauptsächlich darauf, im Laufe der Zeit erfolgte Einbauten rückgängig zu machen und alle originalen Bau- und Ausstattungsteile sorgfältig instand zu stellen und Fehlendes nach Möglichkeit zu rekonstruieren. So wurde in der Stube eine zur Gewinnung eines zusätzlichen Zimmers auf der Höhe der Fenstersäule eingezogene Holzwand wieder entfernt und damit die ursprüngliche grosszügige Raumwirkung wieder hergestellt. Die beschädigten Kacheln des Kachelofens wurden von Hafner Fritz Gisler aus Dällikon durch neue ersetzt, jede eine handgefertigte Kopie mit dem alten Muster. Der Boden erhielt wieder originalgetreue Tannenriemen. In der Küche verschwand die Flachdecke, unter der das rauchgeschwärzte Gewölbe der alten Rauchküche mitsamt den alten Räucherstangen zum Vorschein kam.

Gleich rücksichtsvoll ging Jürg Gilly auch mit dem Äusseren der Mühle um. Hier legte der überaus schlechte Zustand einiger Bauteile deren vollständigen Abriss nahe. So verschwanden der der Ostfassade vorgelagerte Wagenschopf samt dem anstossenden Staubhaus an der Nordostecke, der Holzschopf auf der Westseite und das dortige Klebedach über den Fenstern des Estrichs. Wegen Einsturzgefahr musste leider auch das alte gewölbte Radhaus mit seiner Infrastruktur gesprengt werden; das Rad selbst war ohnehin nur noch in Fragmenten erhalten. Der gedeckte Gang vom Mühlegebäude zur Scheune wurde abgebrochen und auf Wunsch der eidg. Kommission für Denkmalpflege wieder rekonstruiert.

19. Küche mit freigelegtem Gewölbe, 1968
Nebengebäude, Hof und Brunnen
Die Scheune selbst wurde praktisch unverändert belassen; zur Sicherung ihrer Tragkonstruktion wurden lediglich zusätzliche Stützbalken eingezogen und das Dach geflickt. Sie hat somit noch dieselbe Einteilung in Pferdestall, Tenne und Kuhstall wie ehedem. Nur im Westteil mit der alten schönen Bruchsteinmauer, wo sich ehemals die Stampfe und die Reibe über dem Mühlekanal befanden, wurde 1981 durch Einzug einer Holzwand ein Raum zur Unterbringung von Gartenmobiliar eingerichtet; der alte Kanal wurde dabei abgedeckt und ist ansatzweise noch sichtbar. Die der Scheune nach Osten vorgelagerte alte Trotte war für eine Rettung zu baufällig und musste abgebrochen werden.

Der Speicher mit Kammer und Schweinestall von 1880, der zuletzt als Hühnerstall und Holzlager gedient hatte, wurde 1976 innen komplett umgebaut. Der gegen Osten offene Laubengang im ersten Geschoss wurde mit einer Holzwand mit 8-teiliger Fensterreihe geschlossen, deren Bretter von der abgebrochenen Trotte stammen; dahinter entstand Raum für eine reizvolle 1 1/2 Zimmer-Mietwohnung. Als Zugang wurde auf der Nordseite ein Treppenaufgang mit Vordach angebaut. Der gemauerte Sockelbereich des ehemaligen Schweinestalls wurde in eine vom Hof aus erreichbare Garage und einen offenen Abstellplatz umgewandelt.

20. Küche, 2003
Die alte Kopfsteinpflästerung entlang von Mühlegebäude und Oekonomiegebäude wurde ergänzt durch eine durchgehende Pflästerung der ganze Hofstatt. Beim Brunnen mit den Initialen GOF [Gemeinde Otelfingen] und dem Datum 1772 handelt es sich um den alten Dorfbrunnen, der ursprünglich südlich des Speichers vor dem Hofeingang der Mühle gestanden hatte. Im Zusammenhang mit dem Kanalisations- und Strassenausbau im Hinter- und Oberdorf in den Jahren 1958-62 war sein weiterer Verbleib am ursprünglichen Standort heftig umstritten: Teils aus verkehrstechnischen Gründen, teils wegen befürchteter Verschmutzung wegen Tränkung des Mühle-Viehs liess ihn die Gemeinde seit 1960 nicht mehr mit Wasser versorgen. 1969, zum Abschluss der Gesamtrestaurierung der Mühle, erhielt er als Geschenk der Gemeinde im Hof seinen heutigen Platz.

Die Mühle Otelfingen steht seit 1970 unter dem Schutz der Eidgenossenschaft.

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