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Otelfingen, Altes Schul- und Gemeindehaus

3. Wie einst in Otelfingen Schule gehalten wurde

5. Ausschnitt aus dem Zeugnis für Schulmeister Hans Albrecht, 1637
1627 hatte Otelfingen sein erstes Schulhaus. 1632 wird ein Schulmeister Hans Albrecht aus Dielsdorf aktenkundig, der hier fünf Winter als Schulmeister tätig war. Als er 1637 weiterzog, schrieb ihm der Otelfinger Ortspfarrer ins Zeugnis , dass "er die liebe Jugend mit Lehren und Underweysen, mit Schryben und Läsen, mit flyssiger Übung des Catechismis und Anfängen unseres allein wahren sälligmachenden Glaubens, flyssig un wol underrichtet".

In einer Zeit, da die Bildungshoheit bei der Stadt lag, und nur Stadtbürger Ärzte, Juristen oder Pfarrer werden und Handel und Gewerbe treiben konnten, war die Aufgabe der Landschulen nicht Vermittlung von Wissen oder gar Berufsausbildung, sondern vor allem Vermittlung von Lesekompetenz, damit, wie seit der Reformation gefordert, jedermann Zugang zur Bibel und religiösen Traktaten erhielt. Der Unterricht lag in der Verantwortung der örtlichen Pfarrer und bestand, wie das Zeugnis Albrechts belegt, schwergewichtig aus Auswendiglernen.

Und das blieb so. 1715 schreibt der Otelfinger Pfarrer J. Wilpert Tobler in einem Bericht über seine Otelfinger Schule, dass im Winter mit "Underrichtung der lieben Jugend im Lesen , Auswendig Lehrnen und Schreiben fürgefahren, und 3 Wochen gemeindlich von Martini an bis in das Frühjahr, da man wiederum die Feld Arbeit vornimmt, so dass wann es lang Winter bleibet, lang auch die Schul gehaltten werden, wenigistens erstrecken sich die Schultag auf 17-18 Wuchen.".

Im Zuge der Aufklärung wurde sich die hohe Geistlichkeit der Bedeutung der Schule vermehrt bewusst. Eine 1772 gross angelegte Umfrage bei den Ortspfarrern sollte Aufschluss über den Zustand des aktuellen Landschulwesens geben. Der Otelfinger Pfarrer Nüscheler beantwortete diese pflichtschuldig und ausführlich und zeichnet damit ein umfassendes Bild von den damaligen Schulverhältnissen.

Die fünf Gemeinden Otelfingen, Boppelsen, Würenlos, Oetwil und Hüttikon bildeten damals einen Schulkreis. Otelfingen führte - wie auch Boppelsen und Würenlos " eine sog. Hauptschule, in der also auch eine Sommerschule gehalten wurde. Im Winter 1771 besuchten 56 Kinder die Schule, 28 Knaben und 28 Mädchen. Der Pfarrer betonte aber, dass diese Zahl variierte, da einige der älteren erst ums Neue Jahr oder noch später kamen, "theils um was sie erlehrnet, zu repetieren, theils um lehrnen zu schreiben oder Geschriebenes zu lesen".

Der Schuleintritt war nicht streng geregelt; er erfolgte in der Regel aber zwischen 5 oder 6 Jahren, "wiewohlen einiche Elteren ihre Kinder noch früher schicken ohne Zweiffel, damit sie schon daheim aus dem Weeg kommen, und die grösseren Kinder, welche ihnen sonsten gaumen sollten, an der Besuchung der Schulen nicht versäumt werden möchten." Dies wurde toleriert, solange der Lehrer durch sie nicht gestört wurde. Für den Unterricht noch zu klein, lernten sie immerhin "bätten, stillsitzen und gehorsam seyn". Schon damals also waren Eltern, die ihre Aufsichtspflicht an die Schule delegierten, ein Thema.

Die Kinder wurden in die Schule geschickt, bis sie "perfect lesen", den "grossen Catechismus" und das speziell für die Schule gedruckte "Bättbbüchli" auswendig konnten, was im 12. oder 13. Altersjahr "je nachdem eines fleissig und gelehrig ist oder nicht" der Fall war. Da der Schulbesuch noch nicht obligatorisch war, beklagte der Pfarrer, dass nicht alle Eltern die Schulentlassung abwarteten. Sobald ihre Kinder etwas verdienen konnten, nahmen sie sie aus der Schule "obwohl deren Besuch noch gar wol nötig wäre". Er betonte seine Ohnmacht: "was hat wol ein Pfarrer für Mittel, saumseelige Eltern, wann es dergleichen gibt, anzuhalten, dass sie ihre Kinder zur Schul schicken, als Ermahnungen und Vorstellungen offentlich auf der Cantzel und privatim".

Die Dauer der Winterschule war nicht streng festgelegt. Beginnend an Martini, am 11.November also, dauerte sie bis in den März, insgesamt 15-18 Wochen, je nach Witterung bei Frühlingsanfang. Im Sommer hatte der elterliche Betrieb Priorität. Als Hauptschule führte Otelfingen zwar auch dreimal wöchentlich von 8-10 Uhr eine Sommerschule, die aber nur unregelmässig von 12-24 mehrheitlich kleinen Schülern besucht wurde. " Die grösseren werden zur Arbeit angehalten, dissbemerks meist von Pauweren und Dürftigen. Je wolhabender aber einer ist, je eher haltet er seine Kinder zur Sommerschule an", merkte der Pfarrer sozialkritisch an.

Das Schulangebot wurde im Sommer durch eine Singstunde nach der sonntäglichen Kinderlehre in der Kirche ergänzt, im Winter durch die Nachtschule, die zweimal für die Jugend bis zum 20. Altersjahr zwischen 18 und 20 Uhr im Schulhaus stattfand. Unter der Anleitung eines Vorsingers las und studierte man Psalmen ein und schloss den Abend durch ein Gebet ab. Die Nachtschule, die von 24-30 jungen Leuten besucht wurde, scheint gerne für allerhand Schabernack benützt worden zu sein, denn "man sucht so vil möglich alle Unordnungen in der Schul und Gewühl bey dem Heimgehen zu verhüten und die Leüth davor zu wahrnen". Wenn "die Hoffstubeten", das private Zusammenkommen der Jungen auf den Höfen also, verboten werden könnte, meinte der Pfarrer, fände die Nachtschule deutlich mehr Zuspruch.

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