Vorheriges Kapitel 1 2 3 4 5 6 Nächstes Kapitel
Otelfingen, Altes Schul- und Gemeindehaus

5. Otelfinger Schulmeister anno dazumal

Entsprechend bescheiden war auch zumeist der Wissenstand der Landschullehrer. Sie rekrutierten sich häufig aus dem örtlichen Handwerkerstand. So war der zur Zeit der Erhebung von 1772 aktive Otelfinger Lehrer, Rudolf Bopp, ehemals Weber, "doch weilen er keine Güter mehr hat, kann er sich gantz der Schul widmen". Ihm und seinen Kollegen des Schulkreises attestierte der Pfarrer, dass sie "fleissig in ihrem Beruf und fähig genug" sind, "den Kindern das Buchstabieren, Lesen und Schreiben beyzubringen, sie zur Höflichkeit anzuhalten, vor Unarten zu warnen und zum Guten anzumahnen", und dass sie es willig annehmen, "wann ihnen in ihren Verrichtungen Halt und Anleitung gegeben wird." (...). Die Kinder "thun sie theils ehren und lieben, theils förchten." Die Furcht vor dem Lehrer war nicht unbegründet; jedenfalls hielt der Pfarrer eine Belehrung über die psychologische Wirkung von Strafen angezeigt. "Da ich wol weiss, dass ein Kind, wann es, obgleich es dasselbige wol verdiente, allzu stark gezüchtiget wird, die Lust verliehren kann und die Eltern es übel nehmen, so rathe ich bey allen Anlässen den Schulmeistern, dass sie freylich die Fehlbaren strafen sollen, aber mit Vernunft und Sanftmut und dass sie sich nicht etwan vom Zorn einnehmen lassen sollen, auch dass sie Unterschied machen zwischen Naturfehlern und vorsetzlichen Fehlern, um nicht jenen, die Naturfehler haben, eine noch grössere Forcht einzujagen und ihnen die Schul nicht verhasst zumachen."

6. Ausschnitt aus der Erhebung über die Schulmeisterlöhne, 1794
Das Einkommen der Lehrer war sehr kärglich und nicht besser als das eines Taglöhners. Über die Lohn-und Naturalbezüge des Otelfinger Schulmeisters Hans Meyer, seit 1778 Nachfolger von Rudolf Bopp, informiert eine Zusammenstellung von 1794. Daraus geht hervor, dass er zwar keine Wohnung im Schulhaus hatte, dieses aber, weil es auch Gemeindehaus war, von der Gemeinde unterhalten und mit Brennholz versorgt wurde. Zur Verfügung gestellt wurde ihm ein ½ Vierling grosses Kraut-und Baumgärtchen beim Schulhaus ; selbst besass er weder Wiesen, Äcker oder Reben, die vielen Familien in Otelfingen zu etwas Wohlstand verhalfen. .Als Naturallohn erhielt er 1 Mütt Kernen , aber weder Torf noch Holzscheiter. An Geld bekam er von der Gemeinde 13 Gulden 26 Schilling auf Martini, als Abgeltung für Sommerschule, Repetierschule und Nachtschule, dazu von jedem Schüler der Winterschule wöchentlich 3 Schilling. Zur Zeit der Befragung hatte er 60-70 Schüler in der Winterschule, 30-35 in der Sommerschule und 18-22 in der Repetierschule. Das Schulgeld musste er am Ende der Winterschule bei den Eltern seiner Schüler selber einziehen. Das Trinkgeld, das er dabei gelegentlich erhielt, wurde als Zusatzeinkommen vermerkt, ebenso die "Helsweggen", die ihm jede Familie, deren Kinder er unterrichtete, an Neujahr zukommen liess. Um sein Einkommen etwas aufzubessern, war Hans Meyer wie viele Lehrer im Nebenamt Sigrist . Fürs Einläuten der Glocken erhielt er von der Kirche auf Martini 20 fl. in Zürchervaluta, dazu ½ Mütt Kernen und 2 ½ Mütt Hafer. Bei Taufen erhielt er gar nichts, "von jeder grossen oder kleinen Leich 1 Hausbrodt, deren Anzahl belaufen sich jährlich in ca auf 20-30" und schliesslich von jedem Brautpaar 1 Schnupftuch und 1 Ehrentrunk. Weil er auch Vorsinger war , kassierte er jährlich zusätzlich 15fl..

Die Notwendigkeit einer Reform des gesamten Landschulwesens war offenkundig; 1778 wurde die "erneuerte Schul-und Lehr-Ordnung für die Schulen der Landschaft Zürich" von Bürgermeister und Rat genehmigt. Allerdings betrafen die Verbesserungen nur die Organisation der Schule, während Lehrstoff und Methode unverändert blieben. Neu eingeführt wurde die allgemeine Schulpflicht für Kinder vom 6. bis 12. Altersjahr. Aus der Winterschule wurde die Alltagsschule von Martini bis 1. April mit täglich 6-stündigem Unterricht, und die obligatorische Sommerschule sollte bestenfalls ebenfalls täglich stattfinden. An die Alltagsschule schloss neu die Repetierschule an, die bis zur Konfirmation an ein oder zwei Halbtagen besucht werden musste, während die bei der Jugend beliebte Nachtschule durch die Singschule am Sonntagnachmittag ersetzt wurde.

Lesen Sie den nächsten Teil:

© Alle Urheberrechte dieser elektronischen Publikation sind bei Dr. Erika Feier-Erni, Otelfingen. Für alle elektronisch publizierten Texte gelten dieselben Regeln wie für eine gedruckte Veröffentlichung.