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Otelfingen, Mühle
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1. Geschichte der Mühle Otelfingen bis zum Neubau 1598

1. Mühle von SW, Postkarte 1939
Dass Abt Antonius der Benediktinerabtei Trub im Emmental seine Besitzungen in Otelfingen am 30. März 1289 samt den dort und anderswo lebenden Leuten und dem Patronat der dortigen Kapelle an das Zisterzienserkloster Wettingen verkaufte, ist -soweit bekannt - der erste schriftliche Hinweis auf die Existenz einer Mühle in diesem Dorf. Von den Eigenleuten, die Teil des Handels waren, sind unter den Zeugen der Urkunde ein Heinr. Huober, Cuonr. Molendinarius, Egelolfus de Otholvingen und Gerungus in der Huobe erwähnt. Durch das Attribut ""Molendinarius"" wird Zeuge Cuonradus als Müller identifiziert; der Rückschluss vom Müller auf das Vorhandensein einer Mühle auf den verkauften Gütern ist wohl nicht ganz abwegig. Zentrale, von einem Müller betriebene Wassermühlen hatten zur Zeit des Handels zwischen Trub und Wettingen die im frühen Mittelalter in jedem Haushalt üblichen Handmühlen längst abgelöst. Allerdings erforderten Wassermühlen kostspielige Investitionen wie Wasserrad, Getriebe, teure Mühlsteine, die sich ein Bauer nicht leisten konnte, wohl aber die reichen Grundherren aus Adel und Klöstern, für die die Mühlen, gegen Zins für eine gewisse Zeit verpachtet oder als Ehrschatz und zinspflichtiges Lehen abgegeben, ein einträgliches Geschäft waren. Für das noch junge Kloster Wettingen jedenfalls war der Kauf von Ländereien mit einer Mühle zweifellos ein attraktives Geschäft. Den definitiven Nachweis der Existenz einer Mühle in Otelfingen bringt eine vom 5.Oktober 1405 aktenkundige Auseinandersetzung zwischen dem Kloster Wettingen und dem Rudolf Fasnacht, Burger von Baden, und seiner Frau Adelheit Frithofer. Beide Parteien beanspruchten Zins und Besitz der Mühle Otelfingen. Das Gericht entschied, dass Fasnacht den bisher eingenommen Zins behalten durfte, das Kloster die Mühle samt Zubehör ""zu ihren Handen ziehen"" und dem Kontrahenten dafür 19 Gulden geben sollte. Dass das Gericht die Mühle dem Kloster zusprach, lässt vermuten, dass dieses ältere und fundierte Rechte daran hatte und wohl nur die Grundzins-Einnahmen an Fasnacht verpachtet hatte, der daraus Anspruch aufs Ganze ableitete.

2. S. Ott, Mühle von Westen, 1922
Das Kloster Wettingen blieb also Grundherrin der Mühle Otelfingen, die sie als klösterliches Lehen vergab. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wechselte die Mühle in raschem Rhythmus den Besitzer. 1562 wurde sie von Müller Beath Hofmann an Jacob Graf aus Otelfingen verkauft, mit dem Vorbehalt, dass dieser den Lehensbrief des Klosters akzeptierte und als neuer Lehnsmann den Ehrschatz, die nun fällig werdende Handänderungssteuer bezahlte. Beides focht Graf an. Der zur Schlichtung aufgerufene Rat in Zürich entschied zu Gunsten des Klosters, obwohl er nach der Reformation in Auseinandersetzungen seiner Untertanen mit kirchlichen Grundherren häufig Partei seiner Unternahmen nahm. Die Position des Klosters war offenbar nicht angreifbar.

1568 ging die Mühle von Jacob Graf auf einen neuen Besitzer über, möglicherweise Hans Schmid von Regensdorf, der sie 1575 an Jacob Schlatter weiterverkaufte, zum stolzen Betrag von 2200 Gulden und den Ehrschatz von 100 Gulden.

Die Besitzer der Mühle Otelfingen hatte dem Kloster gemäss Güterverzeichnis einen jährlichen Zins von sechs Mütt drei Viertel Kernen nach Zürcher Mass abzuliefern und ein zusätzliches Mütt Kernen der Kirche Wettingen. 1576 bekräftige das Kloster in einem Zusatzpapier die Ehrschatzpflicht der Mühleinhaber und das Recht des Klosters, bei Handänderung der Mühle den Ehrschatz nach Belieben neu festzulegen; dies wurde am 17.Februar 1576 von Bürgermeister und Rat von Zürich bestätigt.

Der schnelle Besitzerwechsel lässt vermuten, dass das Kloster die Mühle Otelfingen bis dahin jeweils nur für die Dauer von wenigen Jahren als Handlehen vergeben hatte; für den Grundherrn war dies eine durchaus günstige Regelung. Abgesehen davon, dass bei jeder Handänderung der Mühle der Ehrschatz anfiel, gab ein rasch wechselndes Handlehen dem Kloster die Möglichkeit, bei jeder Neuverleihung den Zins der effektiven Ertragslage des Betriebes anzupassen und damit die Rentabilität des Objektes sicherzustellen.

Allerdings kamen im Laufe des 16. Jahrhunderts die feudalen Strukturen zunehmend unter Druck. Insbesondere die Lehenmüller auf dem Land, die frei vom städtischen Zunftzwang waren, begannen sich mit Erfolg aus den alten Abhängigkeiten zu emanzipieren. Sie bemühten sich darum, durch Erbverträge mit ihren Grundherren ihre Lehenmühlen für sich und ihre Nachkommen zu sichern. Schon in der ersten Hälfte des 17 Jahrhunderts waren wohl die meisten grundherrlich gebundenen Mühlen solche Erblehen.

Die Mühle Otelfingen wurde wohl 1575 anlässlich ihres Kaufes durch Jacob Schlatter von einem Handlehen in ein Erblehen des Klosters Wettingen umgewandelt. Charakteristisch für ein Erblehen war die Fixierung des Lehenzinses; solange es vom Vater an den Sohn vererbt wurde, blieb der Grundzins unverändert und unabhängig von der Konjunktur und Preisentwicklung.

3. Mühle von Osten, TAD 1932
Gemäss Erblehenvertrag gehörte zudem der Mehrwert der Mühle dem Lehenmüller, gleichgültig, ob aus konjunkturellen Gründen erworben oder wegen seines Einsatzes an Arbeit oder Kapital. Dass die Rendite zu seinem und nicht mehr zu seines Lehnsherrn Gunsten ging, wirkte sich selbstredend positiv auf seine Investitionsbereitschaft aus, insbesondere als die Abgabenlast immer kleiner wurde, je länger der Erblehenvertrag bestand. Gleichzeitig profitierte der Müller aber vom weiterbestehenden alten Mühlemonopol, das den Bauern innerhalb eines Mühlebannes keine freie Mühlewahl zugestand. In den Bann der Mühle Otelfingen gehörte nebst dem Dorf Otelfingen auch das Nachbardorf Boppelsen.

Das System des Erblehens begünstigte nicht nur den Lehenmüller gegenüber dem Grundherrn, sondern es förderte auch gleichzeitig die Entstehung von eigentlichen Müllerdynastien, die sich wie diejenige der Schlatter in Otelfingen durch eine ganz erstaunliche Kontinuität auszeichnen konnten. Die Mühle Otelfingen wurde nach ihrem Kauf durch Jacob Schlatter im Jahre 1575 bis zu ihrer Betriebseinstellung 1961 immer von Nachkommen der Familie Schlatter betrieben.

4. Mühle von Südost, 1901 (?)
Für das Kloster war das eine höchst nachteilige Entwicklung. Bereits 1683 jammerte man dort, dass von der Mühle Otelfingen der Ehrschatz, der nur bei Verkauf erhoben werden konnte, seit 1575 kein einziges Mal mehr eingegangen war; bei der Übergabe der Mühle vom Vater auf den Sohn wurde offenbar nur eine Abgabe von 10fl fällig. Tatsächlich sollte der Ehrschatz bis zur Klosteraufhebung 1841 nie mehr fällig werden. Ähnlich ungünstig verhielt es sich auch mit dem Grundzins, der gemäss Urbar von 1798 immer noch gleich wie 1575 war und auch fast unverändert die Helvetik überdauerte und 1813 nur gerade ein Viertel Mütt Kernen mehr betrug als 238 Jahre früher.

5. Mühle von Südost
Selbst bei solch guten Rahmenbedingungen für die Müllerei setzte die erfolgreiche Führung einer Mühle damals aber auch eine gehörige Portion unternehmerischer Fähigkeiten voraus. Eine Mühle umfasste in der Regel mehrere ineinandergreifende Betriebe. Neben der Getreidemühle wurden auch andere, die Wasserkraft nutzende Nebenbetriebe geführt. In Otelfingen waren das seit alters her eine Reibemühle, "Rybi" oder "Oeli" genannt, in der Hanffasern geschmeidig gerieben und auch Oelfrüchte wie Raps oder Leinsamen ausgequetscht wurden, und die Stampfmühle, "Stämpf" oder "Beimüli", in der Knochen zu Knochenmehl verarbeitet, Hirse von ihrer Hülle befreit und auch Hanf geklopft werden konnte. Wie in anderen Mühlen boten sich auch hier die anfallenden Nebenprodukte Spreu und Kleie als hochwertiges, praktisch kostenloses Tierfutter an, als dessen Folge insbesondere die Schweinemast zum Eigengebrauch wie zum Handel betrieben wurde. Dazu kam die Bewirtschaftung der Ländereien des Müllers samt dem in Otelfingen üblichen Rebbau. Da der Müller seinen Lohn in Getreide und nicht in Geld bekam, wurde er zwangsläufig auch zum Getreidehändler und zuweilen Spekulanten.

Jacob Schlatter verfügte offensichtlich über die notwendige Geschäftstüchtigkeit und dürfte damit das Fundament für Erfolg und Reichtum seiner Nachkommen gelegt haben.

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