Vorheriges Kapitel 1 2 3 4 5 6 7 8 Nächstes Kapitel
Otelfingen, Das Haus zur Brauerei. Ein Stück Wirtshaus- und Brauereigeschichte

5. Taverne zur Bierbrauerei und Brauereibetrieb I, 1847-1851

15. Haus zur Brauerei um 1910.
Mit dem Tod des langjährigen Wirtes Hans Rudolf Bopp, 1843, kam eine neue Dynamik in die Otelfinger Wirtshausszene. Bopps Weinschenke im Neuhaus wurde von seinem Sohn Heinrich wohl bis zum Ablauf des Patentes weitergeführt und verschwindet 1845 aus den Akten. Im gleichen Jahr etablierte Hans Rudolf Bopps Neffe Rudolf Schibli, nun eingetragener Besitzer des Hauses zur Brauerei, nachweislich in diesem Haus eine neue Weinschenke. Er war verheiratet mit der Wirtstochter Barbara Gross aus dem Unterdorf, erwarb sofort das neue Speisepatent und zusätzlich auch das Bierpatent, durfte also auch Bier ausschenken. Erst jetzt, 1845, wurde also das Haus zur Brauerei zum Wirtshaus.

Obwohl seit Urzeiten bekannt, war Bier im Kanton Zürich bis zur Helvetik wenig verbreitet. Erst mit der Liberalisierung im 19. Jahrhundert, als jedermann ohne Bewilligung Bier brauen durfte, begann es sich langsam als Konkurrenzgetränk zum Wein zu etablieren, obwohl es damals teurer war als dieser. 1844 sollen auf Kantonsgebiet bereits über 12 Brauereien bestanden haben. Mit dem Erwerb des Bierpatentes, das seit 1840 im Kanton Zürich für alle Tavernen und Weinschenken mit Bierausschank Vorschrift war, setzte Rudolf Schibli im Haus zur Brauerei also auf den interessanten Biertrend; da es noch kein Flaschenbier gab, war der Bierverkauf damals allein den Wirten vorbehalten.

Mehr noch, als offensichtlich initiativer Mann trug er 1845 seine eigene Brauerei im Handelsregister ein. Im weiteren erwarb er 1847 das Tavernenrecht. Das Haus zur Brauerei war damit ein mit allen Rechten ausgestatteter Gasthof geworden, in dem Bier aus eigener Produktion verkauft wurde. Dank dem mit dem Tavernenrecht verbundenen Namensrecht erhielt die Taverne ihren ersten Namen. Sie hiess «Zur Bierbrauerei».

16. Eingang zum Bierkeller im Ghei, 2008
Als zusätzliche Attraktion für seine Gäste erbaute 1847 Rudolf Schibli östlich des Gasthofs und, hinter den Garten zurückversetzt, ein freistehendes Kegelbahngebäude mit Schopf.

Da das Haus zur Brauerei noch immer in Wohnhaus, Scheune und Stall gegliedert war und über keinen geeigneten Produktionsraum verfügte, benützte Rudolf Schibli für seine Bierbrauerei vorerst einen unterkellerten Speicher, der ehemals zum Neuhaus gegenüber gehört hatte, aber nicht auf dem Areal des Neuhauses stand, sondern unmittelbar oberhalb des Pfarrhauses, direkt an der Strasse. Rudolf Schibli hatte das Gebäude zweckmässig um- und ausgebaut und mit einem Brauofen samt Kessel, Kühlschiff und Malzdörre ausgerüstet.

Gebraut wurde Bier in jener Zeit aus Gründen der Kühlung fast ausschliesslich im Winter, getrunken wurde es im Frühling und Sommer. Da die erste mit Dampf betriebene Kühlmaschine erst 1881 erfunden wurde, pflegten die Brauereien Kühlkeller anzulegen, ohne die ihr Bier nicht haltbar gewesen wäre. Auch Schibli baute 1845/46 im Ghei oberhalb des Dorfes einen Bierkeller in den Hügel hinein. Das sowohl für die Lagerung wie für die Produktion notwendige Eis musste im Winter im Riedt gebrochen und herangekarrt werden, eine unsichere und sehr beschwerliche Art der Beschaffung des Kühlmittels.

17. Eistransport aus dem Riedt, um Jahrhundertwende
Vielleicht waren die Investitionen zu hoch, vielleicht war das Bier von ungenügender Qualität - schliesslich war Rudolf Schibli kein gelernter Bierbrauer. Bereits 1851 musste er Konkurs anmelden. Der Gasthof zur Bierbrauerei und auch die für die Bierproduktion genutzte Scheune gingen in die Hände von Rudolf Schiblis Stiefbruder Salomon über, der das «Brauereigebäude» 1854 abbrach, nachdem die Brauereieinrichtung bereits 1852 nicht mehr vorhanden, also wohl schon verkauft worden war.. Er führte nur die Taverne weiter und liess das Lokal neu unter dem Namen «zum Neuhaus» eintragen. Erst seit 1852 kann also der Name «Neuhaus» mit dem Haus zur Brauerei in Verbindung gebracht werden.

Lesen Sie den nächsten Teil:

© Alle Urheberrechte dieser elektronischen Publikation sind bei Dr. Erika Feier-Erni, Otelfingen. Für alle elektronisch publizierten Texte gelten dieselben Regeln wie für eine gedruckte Veröffentlichung.