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Otelfingen, Das Haus zur Brauerei. Ein Stück Wirtshaus- und Brauereigeschichte

2. Verwirrung um die Bezeichnung «Neuhaus»

Den meisten älteren Otelfingern ist geläufig, dass das Haus zur Brauerei noch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts als «Gasthof zum Neuhaus» angeschrieben war. Heute noch für jedermann sichtbar ist die Jahrzahl 1811 auf dem Türsturz der südlichen Eingangstür und am Ostgiebel sowie die Initialen RU und BO respektive RB samt einem sechszackigen Stern. In den seit 1813 geführten Assekuranzbüchern ist als Besitzer Rudolf Bopp eingetragen, was mit den Initialen am Bau übereinstimmt; der Stern ist Bestandteil des Wappens der Familie Bopp.

5. Haus zur Brauerei, südl. Eingangstür mit Initialen RU.BO. des Erbauers, mit Wappenstern und Baudatum 1811, 2007
Verwirrlich ist indes, dass in Quellen schon viele Jahre vor 1811 von mehreren Mitgliedern der Familie Bopp die Rede ist, die den Namenszusatz «Felix Adamen im Neuhaus» trugen. Sollten sich diese Informationen auf das Haus zur Brauerei alias «Gasthof zum Neuhaus» beziehen, in dem die betreffende Familie Bopp genannt Felix Adamen gewohnt hätte, müsste angenommen werden, dass das Haus, oder Teile davon, älter als 1811 ist.

Die Bopp gehören zu den in Otelfingen seit jeher heimischen Geschlechtern. Da es durchaus üblich war, dass innerhalb einer Familie immer wieder dieselben Vornamen verwendet wurden, behalf man sich in amtlichen Dokumenten um Unterscheidung der verschiedenen Filiationen durch Zusätze zum Familiennamen, z.B. des Vornamens eines allgemein bekannten Vorfahren, seines militärischen Grades oder seines Berufs. Bereits 1719 wurde in Quellen «Heinrich und Jacob die Boppen genannt Felix Adamen» erwähnt. Spätestens 1775 finden sich z.B. ein Johannes Bopp Felix Adamen im Neuhaus und spätestens 1786 ein Hans Jacob Bopp Felix Adamen im Althaus verzeichnet ; über ihre engere Familienzughörigkeit hinaus sind sie somit durch ihre Wohnsituation in einem Alt- respektive Neubau charakterisiert. Im weiteren interessiert nun die Lage des erwähnten Alt- bzw. des Neuhauses.

6. Haus zur Brauerei, östl. Giebelfeld, Initialen RB des Erbauers mit Wappenstern und Baudatum 1811
Bereits in der Otelfinger Dorfgeschichte von Güller findet sich der Hinweis, dass auf dem Areal der heutigen Brauerei früher eine Zehntenscheune des Spitalamtes Badens stand. Das Spital war eine Gründung der Tochter Agnes von König Albrecht nach dessen Ermordung in Königsfelden. Schon früh flossen dem Spitalamt Erträge von Gütern in Otelfingen zu, unter anderem vom profitablen Tösserhof. Jedenfalls waren die Naturalabgaben vom zehntpflichtigen Grundbesitz gross genug, dass das Spitalamt den Bau einer eigenen Zehntenscheune für angezeigt erachtete.

In der Helvetik wurde die Aufhebung der Feudallasten proklamiert, was 1803 in ein für die Grundherren weniger radikales Gesetz des Zehntloskaufs mündete. Mit dem Spitalamt Baden waren die Bedingungen für den Loskauf offensichtlich früh fertig ausgehandelt, denn bereits am 26. Februar 1811 bot es seine Zehntenscheune, welche es fortan ja nicht mehr benötigte, in öffentlicher Gant zum Kauf an. Käufer der «nächst bey der Müllj»gelegenen Zehntenscheune, welche «vornen an die Strass, hinden an Hans Jacob Bopp im alt Haus, einseits auch an ihn und an den Käufer, anderseits an den Bach» angrenzte, war Hans Rudolf Bopp, der sie für 2000 Gulden erwarb. Die Scheune wurde wohl rasch abgerissen und gemäss einem Randvermerk als «Wohnhaus mit Scheune und Stall neu erbaut» bezeichnet. Durch einen Querverweis auf ein späteres Dokument ist auch die Assekuranznummer dieses neuerbauten Hauses bekannt. Unter der Nummer 55 ist ein Wohnhaus mit Scheune verzeichnet, zu 2/3 gemauert und zu 1/3 geriegelt und mit Ziegeln bedeckt, das 1812 von Hans Rudolf Bopp für 5700 Gulden, also gegenüber dem Wert der Zehntenscheune massiv höher versichert wurde; das Haus kann von da an bis heute in den Assekuranzbüchern lückenlos verfolgt werden. Es handelt sich zweifelsfrei um das Haus zur Brauerei alias «Gasthof zum Neuhaus». Damit ist auch bestätigt, dass das Datum 1811 auf Türsturz und Ostfassade als Baudatum stimmt und sich auf den ganzen Baukörper bezieht.

7. Protokolldetail der Zehntenscheune-Gant, 1811
Ungeklärt ist hingegen die Frage zur Bezeichnung «Neuhaus», die sich lange vor 1811 im Zusammenhang mit Mitgliedern der Familie Bopp und danach im Wirtshausnamen «zum Neuhaus» findet.

Die Zehntenscheune des Spitalamts Baden ist schon vor 1811 in einem Dokument von 1798 erwähnt. In der Beschreibung des Wyhlenhofs, der zu den Lehensgütern des Klosters Wettingen in Otelfingen gehörte, wurde festgehalten, dass dieser Hof 1736 u.a. ein Grundstück mit zwei Häusern umfasste, von denen eines bei der Bestandesaufnahme 1798 abgerissen war. Derzeit stand dort noch ein «Haus und Hofstatt, item Spycher, samt Baum und zwey Krautgarten, alles an und bey einander hinter der Zehenden Scheür gelegen», «ohngefahr einer Juchart» gross. Dieses Grundstück grenzte «vornen an die Dorfstraass, hinten an Riedacher, einseits an der Mühlen Riedacher, und anderseits an den Bach, und Heinrich Schlatter Müllers sel. Baumgärtli». Als Besitzer eingetragen waren «Hans Jacob Bopp, und Hans Jacob Bopp, seines Bruders sel. Sohn».

Die dreizehn Jahre auseinanderliegenden Angaben zu den Liegenschaften Zehntenscheune und Wyhlenhofhaus als nördlich der Strasse und östlich des Bachs gelegen, ergänzen sich weitgehend; als einzige Differenz wird 1811 darauf verwiesen, dass der Käufer der Zehntenscheune, Hans Rudolf Bopp, damals neben Hans Jacob Bopp Mitbesitzer des Althauses war. Tatsächlich hatte Hans Jacob Bopp, «Hans Jacob sel. Sohn im Althaus», am 4. März 1805 die Hälfte seines vom Vater geerbten Hauses an Hans Rudolf Bopp im Neuhaus für 1401 Gulden verkauft, samt einem halben Speicher, dem achten Teil einer Weintrotte und einem Vierling Baumgarten. Das Althaus kann damit als zum Wyhlenhof gehörig identifiziert werden, ebenso eindeutig wird belegt, dass der Hans Rudolf Bopp, der als Käufer der Zehntenscheune erscheint, identisch ist mit dem Hans Rudolf Bopp im Neuhaus. Das Neuhaus aber ist nicht das Haus zur Brauerei.

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